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Wie eine italienische Familie Marktoberdorf prägte

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Wie eine italienische Familie Marktoberdorf prägte

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    Wo später auf dem Marktplatz Rathaus und danach Gesundheitsamt untergebracht waren, hatte Gaudenz Gulielminetti ein Ladengeschäft betrieben.
    Wo später auf dem Marktplatz Rathaus und danach Gesundheitsamt untergebracht waren, hatte Gaudenz Gulielminetti ein Ladengeschäft betrieben. Foto: Stadtarchiv

    Straßennamen erzählen Ortsgeschichte: Eine ganze Reihe bedeutender Persönlichkeiten stecken dahinter. Aber auch Flurnamen sind oft die Namensgeber gewesen. Es ist schon über 30 Jahre her, als Anne Lutz genau diese Geschichten zusammengetragen hat. Die Serie, die damals in unserer Zeitung erschienen ist, soll – in teils gekürzter und teils überarbeiteter und ergänzter Form noch einmal aufleben. Diesmal flossen viele Informationen ein, die der Heimatverein zusammengetragen hat.

    Die Gulielminettistraße unterscheidet sich von anderen nicht nur durch ihren italienischen Namen, sie ist auch die einzige, die schon zu Lebzeiten eines Gulielminetti diesen Namen erhielt, jenes Carl Gulielminetti, dem Marktoberdorf durch ein großherziges Vermächtnis das Gulielminetti-Altenheim verdankt. Nach seinem Tod 1967 hatte er der Stadt eine Immobilie vererbt, mit deren Verkaufserlös das Seniorenwohnheim Gulielminetti gebaut werden konnte.

    Die Familie Gulielminetti siedelte 1802 aus der Republik Mailand nach Oberdorf über. Die Brüder Joseph, Michael und Gaudenz (I.) handelten damals mit Zinnkrügen, Seiden- und Wollwaren auf Jahrmärkten. Mehrmals hatte Joseph versucht, eine Konzession zum Betreiben eines Geschäfts in Oberdorf zu erhalten. Dies wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass die Aufnahme als Bürger und ein Hauskauf nur bewilligt würden, wenn er weder einen Krämerladen noch einen anderen Laden zum Nachteil der übrigen fünf Krämer errichte. Erst Gaudenz Gulielminetti, der jüngste der drei Brüder, erhielt eine personelle Krämer-Konzession. 1830 erwarb er das Haus 64, das später das Gesundheitsamt wurde. Sein Sohn Joseph Anton übernahm das Haus mitsamt der Konzession.

    Große Berühmtheit erlangten die Söhne von Gaudenz II und Lina Gulielminetti. Anton, Dr. phil. und Dr. theol. wurde am 27. Oktober 1872 in Markt Oberdorf geboren. Sein sehnlichster Wunsch war es schon von Kindesbeinen an, Geistlicher zu werden. In den Jahren 1893 bis 1897 studierte er an der Hochschule in Dillingen und wurde 1897 zum Priester geweiht. In den folgenden Jahren wirkte er ein Jahr als Hilfspriester in Erkheim, neun Jahre als Kaplan in Kempten, sechs Jahre als Prediger in Neuburg an der Donau. Die Universität Würzburg verlieh ihm 1910 den Doktortitel für seine Arbeit „Clemens Wenzeslaus, der letzte Fürstbischof von Augsburg, und die religiös-kirchliche Reformbewegung“. 1917 erhielt er von der Universität München einen zusätzlichen Doktortitel für sein Schriftstück „Das Volksschulwesen im Hochstift und Bistum Augsburg unter dem letzten Fürstbischof Clemens Wenzeslaus“. Anschließend widmete er sich als Lehrer seiner eigentlichen Profession, bei der er es bis zu dem Titel Oberstudienrat schaffte. Am 16. April 1940 starb er an den Folgen eines Gehirnschlags. Sein Leichnam wurde im Münchner Waldfriedhof beigesetzt.

    Antons Zwillingsbruder Joseph starb früh mit 28 Jahren. Xaver Gullielminetti, ebenfalls Theologe, brachte es zum Schulrat in Dillingen. Carl, der jüngste von vier Brüdern, wurde am 17. Februar 1887 in Marktoberdorf geboren. Nach der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg gründete er ein Bankgeschäft und trat nach der Aufgabe des Geschäfts eine leitende Stellung in einer Münchner Bank an. Im Jahre 1924 übernahm er in der Theatiner-Straße in München das Lampenfachgeschäft Rau. Er hatte dort eingeheiratet. Seiner Marktoberdorfer Heimat blieb er aber immer treu.

    Das beweist am besten sein Büchlein „Allerhand Duranand“, das er ihr zur Erinnerung an die Stadterhebung vom 25. Juli 1953 zum Geschenk machte. In schönster Allgäuer Mundart erzählt er in dieser Sammlung köstlicher Geschichten, Anekdoten und selbstverfasster Verse von Begebenheiten, Jugenderinnerungen und Kuriositäten im alten Oberdorf. Viel Originelles wusste er zu berichten, hatte er doch als junger Mann, im Vorstand der Turnerfeuerwehr, als Mitglied des Gemeinderats und des Theatervereins Einblick nehmen können ins Oberdorfer Leben. Auch von der eigenen Familie erzählt Carl Gulielminetti in seinem Buch.

    Carl Gulieminetti hatte sein Vaterhaus 1936 zu einem günstigen Preis der Gemeinde überlassen. Zu seinem 70. Geburtstag erlebte Carl Gulielminetti 1957 die Taufe einer Oberdorfer Straße auf den Namen seiner Familie; zu seinem 80. Geburtstag erhielt er von der Stadt Marktoberdorf die silberne Bürgermedaille für die Verdienste um seine Heimatgemeinde.

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