Mit einer Handvoll Getreide fing im Oktober 2018 alles an. "Damit konnten wir gerade mal eine 15 bis 20 Meter lange Linie aussähen", erinnert sich Bio-Landwirt Michael Königsberger aus Westerheim (Unterallgäu) bei einer Veranstaltung der Öko-Modellregion Günztal in der Rapunzelwelt in Legau. Nach der ersten Ernte der seltenen Getreidesorte konnte im Jahr darauf bereits ein kleines Feld bestellt werden. "Mittlerweile beträgt die Anbaufläche bis zu vier Hektar im Jahr", sagt Königsberger nicht ohne Stolz. Denn bei den beiden betreffenden Getreidesorten handelt es sich um etwas Besonderes: Es sind alte Sorten, die vom Aussterben bedroht waren. Sie heißen "Allgäuer Land" (Weizen) und "Babenhauser Rotvesen" (Dinkel). Dank Königsberger und zwei weiteren Bio-Bauern gedeihen die alten Sorten jetzt wieder im Günztal. Zu Mehl verarbeitet wird das seltene Korn in der Donath-Mühle von Wendelin Blankertz in Bad Wörishofen. Dieser verkauft das Mehl wiederum an die kleine Bio-Bäckerei von Rapunzel in Legau.
So sollen die Menschen auf die neuen Produkte aufmerksam werden
"Wir haben es geschafft", freut sich Projektmanagerin Rebecca Petschke von der Öko-Modellregion Günztal bei der Infoveranstaltung in der Rapunzelwelt: "Wir haben für die beiden alten Sorten eine Wertschöpfungskette vom Acker bis zur Ladentheke aufgebaut." Jetzt gehe es darum, aus der Nische in den Alltag der Region zu kommen und für die Menschen sichtbar zu werden. Dafür hat die Modellregion - die das Projekt "Alte Allgäuer Getreidesorten" seit Jahren bearbeitet - jetzt zusammen mit Landwirten, Müllern und Bäckern die Initiative "Allgäuer Landsorten" ins Leben gerufen. Auf der neuen Homepage www.allgaeuer-landsorten.de und mit Flyern sollen den Verbrauchern die Vorzüge der alten Sorten für Mensch und Umwelt nähergebracht werden. Auf der Homapage ist auch zu lesen, wo man Produkte aus den alten Getreidesorten bekommt.
Warum alte Getreidesorten ein wertvolles Kulturgut sind
Der Erhalt von alten Getreidesorten ist enorm wichtig, wie Dr. Markus Koneberg, Bürgermeister von Kettershausen (Unterallgäu), Dr. Klaus Fleißner von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und Peter Guggenberger-Waibel von der Stiftung Kulturlandschaft Günztal den Zuhörern an diesem Vormittag erläutern. Schließlich würden sie die biologische Vielfalt auf den Äckern erhöhen. Das mache sie zu einem wertvollen Kulturgut und einem kulinarischen Erbe für eine vielfältige und zukunftsfähige Ernährung.
Wie die Experten weiter betonen, ist der Anbau von alten Getreidesorten kein Selbstläufer. Vielmehr sei viel Erfahrung und Herzblut nötig, um eine gute Ernte zu bekommen. Gleiches gelte für die weitere Verarbeitung des Korns. Zudem betont Bäcker Nigel Siedel von der Rapunzel-Backstube, dass beispielsweise der "Babenhauser Rotvesen" sehr gut zu verarbeiten sei. Viele unterschiedliche Backwaren würden mit dem Dinkelmehl gelingen. Angefangen von Brot über Semmel und Seelen bis hin zu Apfeltaschen reiche die Palette. Auch Müller Blankertz bescheinigt dem alten Korn hervorragende Eigenschaften.
Experten sehen großes Potenzial
Am Ende der Veranstaltung sind sich die Experten darin einig, dass die Vermarktung der alten Sorten und der mit ihnen hergestellten Produkte noch in den Kinderschuhen steckt. Aber sie sehen auf jeden Fall ein großes Potenzial, dass der Anteil an Backwaren aus dem "Babenhauser Rotvesen" und dem "Allgäuer Land" in unserer Region weiter steigen wird. Daran wollen alle Beteiligten weiterhin mit viel Engagement arbeiten.