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Memmingen
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Buch „Memminger Geheimnisse“: 50 spannende Geschichten erzählt Autorin Heike Thissen mit Kennern der Regionalgeschichte

Serie: „Memminger Geheimnisse“

Dem Allgäuer Fliegerhelden zu Ehren

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    Der Bronzeadler erinnert an einen wagemutigen Piloten aus dem Ersten Weltkrieg. Die stellvertretende Heimatpflegerin Sabine Streck kennt den Waldfriedhof wie ihre Westentasche.
    Der Bronzeadler erinnert an einen wagemutigen Piloten aus dem Ersten Weltkrieg. Die stellvertretende Heimatpflegerin Sabine Streck kennt den Waldfriedhof wie ihre Westentasche. Foto: Thomas Weigert

    50 spannende Relikte der Stadtgeschichte hat Autorin Heike Thissen mit Kennern der Regionalgeschichte im Werk „Memminger Geheimnisse“ zusammengetragen. In einer Serie stellen wir einige Kapitel vor. Heute: der Bronzeadler.

    Friedhöfe sind Orte, an denen es viel zu entdecken gibt, da machen die Memminger Ruhestätten keine Ausnahme. Wer wüsste das besser als die stellvertretende Heimatpflegerin Sabine Streck? Sie war es, die zusammen mit Dr. Christa Koepff die Initiative ergriff und dafür sorgte, dass der Waldfriedhof als Denkmal der Stadt in die Bayerische Denkmalliste aufgenommen wurde, so wie der Alte Friedhof und der Judenfriedhof vor ihm. Wenn sie über den Waldfriedhof geht, fallen ihr viele geheimnisvolle Relikte auf: Eines davon ist ein Bronzeadler, mit dem es eine ganz besondere Bewandtnis hat.

    Wo einst die Friedhofe in Memmingen zu finden waren

    Im Mittelalter lagen Friedhöfe in unmittelbarer Nähe zu den Kirchen – so auch in Memmingen. Der Hauptbegräbnisplatz der ehemaligen Freien Reichsstadt lag bei St. Martin auf dem Martin-Luther-Platz. Doch schon Anfang des 16. Jahrhunderts waren diese Flächen zu klein geworden, deshalb wurde 1529 das Areal des ehemaligen Schottenklosters an der heutigen Augsburger Straße zum einzigen Gottesacker der Stadt geweiht.

    Aber 500 Jahre später war auch er an seine Kapazitätsgrenzen gelangt. „Also begann man im Oktober 1913 mit dem Ankauf der Flächen nördlich der heutigen Münchener Straße. Das war damals unbebauter Grund und kein einziges Bäumchen stand dort. Doch der Erste Weltkrieg verzögerte die Errichtung eines neuen Friedhofs“, erzählt Sabine Streck.

    Architekt Dr. Hans Grässl konzipierte das Areal des Waldfriedhofs in Memmingen

    Ein Jahr nach Kriegsende ging der Münchner Architekt und Baubeamte Professor Dr. Hans Grässl (1860–1939), der bedeutendste deutsche Friedhofsarchitekt seiner Zeit, als Sieger aus einem Architektenwettbewerb hervor. Er konzipierte den Waldfriedhof als Areal aus gewundenen Hauptwegen und dahinterliegenden Nebenwegen, eingerahmt von Fichtenreihen und in Parzellen aufgeteilt durch Sträucher.

    Schon kurz darauf entstand der erste von heute drei Ehrenfriedhöfen, auf dem neben dem geheimnisvollen Bronzeadler auch ein Steinkreuz mit der Inschrift „Den Kämpfern 1914–1918“ für alle im Ersten Weltkrieg gefallenen Memminger zu finden ist. Auch Grabstätten für Frontkämpfer gibt es hier, ursprünglich mit schlichten Holzkreuzen, seit den 1950er-Jahren mit den heute noch erhaltenen Steinkreuzen.

    Was hat es mit dem Fliegeroffizier Maximilian Ritter von Mulzer auf sich?

    Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Ehrenfriedhof rechts der Aussegnungshalle, vor allem für Soldaten und Zivilisten der Bombenangriffe, hinzu sowie der Ehrenfriedhof für die Verstorbenen des Stalag VII B, eines Kriegsgefangenenlagers am Hühnerberg. „Auf dem ersten Ehrenfriedhof sollte nicht nur der gefallenen Memminger des Ersten Weltkriegs gedacht werden, sondern besonders des Fliegeroffiziers Maximilian Ritter von Mulzer, dem damals eine große Verehrung entgegengebracht wurde“, weiß die Stadtführerin und Heimatpflegerin. Doch wer war dieser Maximilian von Mulzer (1893–1916), dass seiner besonders gedacht werden sollte?

    Geboren wurde er am 9. Juli 1893 20 Kilometer südlich von Memmingen und zog 1906 mit seiner Familie in die Welfenstadt um. Als Fähnrich bei der leichten Kavallerie des 8. Chevauleger-Regiments wurde der pferdebegeisterte junge Mann im ersten Jahr des Ersten Weltkriegs an die Westfront geschickt. Bei seinen Aufklärungsritten legte er so große Kühnheit an den Tag, dass ihm die militärische Führung am 16. September 1914 das Eiserne Kreuz verlieh.

    „Sein Leichnam wurde nach Memmingen überführt.“

    Sabine Streck, stellvertretende Heimatpflegerin

    Für seine Verdienste als Fliegeroffizier erhielt er später in Memmingen den höchsten deutschen Orden, den „Pour le Merite“. Die Stadt machte ihn zum Ehrenbürger. Und im August desselben Jahres verlieh ihm König Ludwig III. von Bayern (1845–1921) das mit dem persönlichen Adel verbundene Ritterkreuz des Max-Joseph-Ordens.

    So entstand die Idee für den Bronzeadler mit Wappen und Inschrift in Memmingen

    Von da an hieß er Maximilian Ritter von Mulzer. Doch all die Ehre konnte nicht verhindern, dass er schon wenige Wochen später am 27. September 1916 im Alter von 23 Jahren abstürzte, als er bei einem Besuch des Armee-Flugparks VI im französischen Valenciennes ein neues Flugzeug – eine Albatros D I – erprobte. „Sein Leichnam wurde nach Memmingen überführt und unter großem militärischen Zeremoniell erst auf dem Alten Friedhof bestattet, 1922 aber auf den Waldfriedhof umgebettet“, weiß die äußerst geschichtskundige Memmingerin.

    Es war der Memminger Bildhauer Adolf Daumiller (1876–1962), der für ihn einen Bronzeadler mit Wappen und Inschrift entwarf. Dieser hält in seinen Fängen einen Propeller. Seit mehr als 100 Jahren gehört sein Bronzeadler inzwischen zu den Relikten aus längst vergangenen Zeiten, die bis heute spannende – und mitunter auch tragische – Geschichten erzählen.

    Das Buch

    Die „Memminger Geheimnisse“ erscheinen in Kooperation zwischen der Mediengruppe Allgäuer Zeitung und dem Bast Medien Verlag. Das Hardcover hat 192 Seiten, ist durchgehend bebildert und kostet 24 Euro. Erhältlich ist es in den Geschäftsstellen der Allgäuer Zeitung sowie im Buchhandel. ISBN: 978-3-911514-00-2

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