Die Zwölf Artikel oder Zwölf Bauernartikel gelten als eine der ersten Forderungen nach Freiheitsrechten und Menschenrechten in Europa, und damit auch als eine frühe Form einer Verfassung.
Hier Geschichte und Hintergrund zu den Memminger Artikeln aus dem Bauernkrieg 1525.
Im März 1525 versammelten sich etwa 50 Vertreter der sogenannten Bauernhaufen in der Stube der Kramerzunft in Memmingen, um zu besprechen, wie sie sich gegenüber dem Schwäbischen Bund verhalten sollten. Nach schwierigen Verhandlungen, in denen auch über ein gewaltsames Vorgehen gegen die Herrschaft diskutiert wurde, schlossen sich die Gesandten zur "Christlichen Vereinigung" nach dem Vorbild einer Eidgenossenschaft zusammen. Sie verabschiedeten eine Bundesordnung, die heute als ein früher Verfassungsentwurf gilt.
Bauernkrieg 1525: Wer hat die "Zwölf Artikel" geschrieben?
Bauernkriegsforscher Peter Blickle bewertet den Text als eines der wichtigsten Schriftstücke des Bauernkriegs. In seiner Bedeutung ist es nur noch übertroffen von den zwölf Artikeln, jenem Forderungskatalog im Geschehen des Bauernkrieges mit der wohl größten Verbreitung im gesamten Reichsgebiet.
Auch dieses Schriftstück ist auf der Versammlung der Bauern in Memmingen beraten worden. Verfasst wurde es von dem Memminger Laienprediger Sebastian Lotzer, der als entschiedener Anhänger der Reformation für die Sache der Bauern eingetreten war.
Die Zwölf Artikel
Die ursprüngliche Form der „Zwölf Bauernartikel“ ist für uns heute nur schwer lesbar. Nachfolgend eine dem aktuellen Sprachgebrauch näherkommende Kurzversion der Zwölf Artikel, die das Städtische Kulturamt Memmingen zur Verfügung gestellt hat:
1. Jede Gemeinde hat das Recht zur Wahl und Absetzung ihres Pfarrers.
2. Der Kleinzehnt soll aufgehoben, der Großzehnt für Geistliche, Arme und Landesverteidigung verwendet werden.
3. Die Leibeigenschaft soll aufgehoben werden.
4. Jagd und Fischerei sollen frei sein. Falls Verkäufe vertraglich belegt werden können, sollen einvernehmliche Regelungen zwischen Gemeinde und Rechtsinhabern angestrebt werden.
5. Wälder und Forsten sollen in Gemeindehand zurückgegeben werden. Sollten Verträge bestehen, werden gütliche Vereinbarungen mit den Forstinhabern angestrebt.
6. Die Frondienst' sollen auf ein erträgliches Maß reduziert werden, orientiert an Herkommen und Evangelium.
7. Außervertragliche Frondienste sollen nicht zugelassen sein, es sei denn gegen eine angemessene Vergütung.
8. Die Abgaben der Bauern sollen durch „ehrbare Leute“ neu eingeschätzt werden.
9. Die Strafmaße für schwere Vergehen sollen neu festgesetzt werden, orientiert an älteren Gerichtsordnungen.
10. Ehemalige Gemeindewiesen und -äcker sollen zurückgegeben werden, es sei denn, dass Kaufverträge vorgelegt werden können.
11. Der Zahlung des Todfalles* belastet die Erben ungebührlich und wird deswegen zukünftig verweigert.
12. Alle Forderungen ergeben sich aus dem Wort Gottes. Sollten sie sich durch die Schrift als unberechtigt erweisen, sollen sie hinfällig sein.
*„Todfall“ bedeutet eine Erbabgabe, die der leibeigene Bauer aus dem Vermögen der Familie an den Leibherrn zu zahlen hatte.
Was wollten die Bauern mit den Zwölf Bauernartikeln erreichen?
Die Wirkung der Zwölf Artikel aus Memmingen war enorm. In nur zwei Monaten erschienen davon 28 Drucke in nahezu allen namhaften Orten des Reiches. Über 25000 Exemplare wurden im gesamten Aufstandsgebiet verteilt. Die Forderungen wurden oft in anderen Aufstandsgebieten übernommen und um regionale Beschwerden erweitert.
Lotzer war stark von den Reformschriften von Christoph Schappeler beeinflusst. In seinem "Beschyrmbüchlein" aus dem Jahr 1523 begnügte sich der Handwerker nicht mehr damit, einzelne Punkte der alten Lehre anzugreifen, sondern stellte seine eigene Ansicht des Evangeliums dar. Damit gab er der Bevölkerung die geistigen Waffen an die Hand, um ihre Überzeugung gegen den Klerus zu verteidigen.
Um an die Bauernartikel zu erinnern, gibt es seit 2005 den "Memminger Freiheitspreis 1525". Alle vier Jahre werden Persönlichkeiten und Institutionen ausgezeichnet, die sich für Freiheit, Recht und Gerechtigkeit einsetzen. 2016 ging der Preis an den katholischen Bischof Erwin Kräutler. Der Österreicher setzt sich für die Menschenrechte der brasilianischen Indios und die Erhaltung des tropischen Regenwaldes im Amazonas-Gebiet ein.
2022 bekam den Preis Heribert Prantl. Der Jurist und Journalist gehörte viele Jahre zur Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, für die er auch noch regelmäßig schreibt. 2025 bekommt Fußballtrainer Christian Streich die Urkunde in Memmingen verliehen.
Zwölf Artikel: Memmingen nennt sich Stadt der Freiheitsrechte
Ebenfalls in Erinnerung an das damalige Geschehen nennt sich Memmingen "Stadt der Freiheitsrechte". Schilder an der Autobahn weisen darauf hin.
Der Heimatbund Allgäu, der Dachverband der Allgäuer Vereine, die im weitesten Sinne heimatpflegende Arbeit leisten, plant für das 500-jährige Jubiläum 2025 unter anderem eine Wanderausstellung, einen Dokumentarfilm, ein Theaterstück in Zusammenarbeit mit der Freilichtbühne Altusried sowie einen Online-Kalender mit allen wichtigen Terminen.