Mit der Zunge scharf wie ein Obstmesser und einem Humor zwischen Dorfkneipe, Hörsaal und Feuilleton zerlegt die niederbayerische Kabarettistin Teresa Reichl eloquent die Absurditäten, Höhen und Tiefen des Erwachsenwerdens. Ein Intro kündigt sie in der Aula des Memminger Vöhlin-Gymnasiums in der Gänze ihrer Bescheidenheit an. Sie hatte ihren geplanten Auftritt im Rahmen der Memminger Kabaretttage krankheitsbedingt Ende März kurzfristig absagen müssen. Kampflos geschlagen gibt sich Teresa Reichl deswegen nicht, soviel steht fest, auch wenn die Entscheidung um den Preis, das „Memminger Maul“, mit William Wahl bereits gefallen ist.
Kabarett als Alibi für die Eltern
Teresa Reichls „erstes Heldinnenepos“ ist eine Reise durch die (männerdominierte) Weltliteratur bis hin zu ihrer eigenen Identität. Sie warnt deswegen ihr Publikum gleich zu Anfang vor, dass bei ihr kein „normales“ Kabarettprogramm zu erwarten sei, sondern sie eigentlich nur vor ihren Eltern die zwölf Semester ihres Germanistik-Studiums rechtfertigen möchte. Ihr Lehramtsstudium in Deutsch und Englisch absolvierte die 28-Jährige an der Universität in Regensburg, wo heute auch ihr Lebensmittelpunkt ist.

Gewinnerin des Deutschen Kleinkunstpreises 2025
Zwischen der Rezitation ihrer persönlichen Heldinnengeschichte, die sich in einem ganz normalen Wahnsinn namens Leben abspielt, drückt Reichl immer wieder den Tuscheffekt auf ihrer mitgebrachten Soundbar. Ansonsten steht die Gewinnerin des Deutschen Kleinkunstpreises 2025 in der Kategorie Förderpreis ganz schnörkellos auf der Bühne, pur, echt und authentisch ohne weiteren Bühnenzauber. Das braucht die gebürtige Haunersdorferin aus dem Landkreis Landau an der Isar auch gar nicht, ihr Selbstbewusstsein ist ihre Frauenpower.
Warum Teresa Reichl Penis-Witze reißt
Dabei reißt sie auch mal einen Penis-Witz (mindestens einer sollte nämlich in einer humoristischen Darbietung dabei sein, wie Kritiker ihr ans Herz gelegt haben). Sie spricht über ihre erste Periode, über ihr Outing mit 25 Jahren und über die anfänglichen Schwierigkeiten in der körperlichen Liebesbeziehung mit einer Frau.
Wer bei diesen Themen zusammenzuckt, dem sei gesagt: Wenn Teresa Reichl über das Frau-sein und den Feminismus spricht, ist das kein trockenes Plädoyer mit einem Forderungskatalog für mehr Weiblichkeit. Sie nutzt die Bühne vielmehr, um das Patriarchat humorvoll und geistreich zu hinterfragen - im Kontext zwischen Maßkrügen und Krachledernen.
Mit welchem Problem Teresa Reichl zu kämpfen hat
Die Kabarett-Senkrechtstarterin macht aber auch keinen Hehl daraus, wie sich eine Depression anfühlt. Denn, wie in einem Heldenepos so üblich, kommt auch bei ihr nach dem Sieg die Niederlage - allerdings zum ungünstigsten Zeitpunkt. Bei Reichl war das, nachdem sie ihr Staatsexamen geschafft, Corona überlebt und mehrere Dates erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Ihre zweite Aventüre, wie die Heldin des Abends verrät, war dann die Therapie. Mit dieser Offenheit trägt sie ganz nebenbei dazu bei, psychische Probleme zu enttabuisieren und zeigt, dass es in Ordnung ist, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Als Zugabe ein Lied über einen verrutschten Tampon
„Bis jetzt“, so der Titel des Programms, sei sie glücklich, verkündet Reichl, was das Memminger Publikum mit einem kräftigen Applaus feiert. Ohne Umwege gibt die aus der Poetry-Slam-Szene bekannt gewordene Kabarettistin eine besondere Zugabe. In ein bodenlanges, rosa metallic-farbenes Kleid gehüllt, spricht sie nicht nur über aktuelle Themen und Literatur, sondern singt auch hinreißend gut.
Musicalmäßig intoniert sie zum Schluss ein Lied über einen verrutschten Tampon. Teresa Reichl beweist, dass Kabarett auch jung, feministisch und nahbar sein kann – und dass es Zeit für neue Heldinnenepen ist, die mit Humor, Herz, Hirn und Haltung vorgetragen werden. Fazit: Bei Teresa hätte selbst das „Memminger Maul“ einen Kussmund gemacht.
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