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Mewo-Kunsthalle Memmingen zeigt Werke von Tim Berresheim.

Neueste Kunstausstellung in Memmingen

Wenn Steine scheinbar schwerelos schweben

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    Künstler Tim Berresheim vor seinem 3D-Wandbild „Traces Stage-Anaglyph".
    Künstler Tim Berresheim vor seinem 3D-Wandbild „Traces Stage-Anaglyph". Foto: Harald Holstein

    Tim Berresheim verbindet in seinen Bildern analoge Entwürfe mit digitaler Technik. Wie bei kaum einem anderen zeitgenössischen Künstler drängt sich die Frage auf, was genau die Bedingungen sind, unter denen die Bilder hergestellt werden, welcher Prozess steckt dahinter. Nicht nur einzelne wie Fotografien anmutende Werke, sondern besonders die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der künstlerischen Ergebnisse machen neugierig und ziehen den Betrachter in den Bann seiner grau gehaltenen Bildräume. Kuratiert hat die Ausstellung Volontärin Leonie Vinzenz, die zum Ende der zweijährigen Berufsvorbereitung ihre erste Ausstellung betreut.

    Volontärin und Kuratorin Leonie Vinzenz vor dem Bild „Atelier“ von Tim Berresheim.
    Volontärin und Kuratorin Leonie Vinzenz vor dem Bild „Atelier“ von Tim Berresheim. Foto: Harald Holstein

    Was verbirgt sich hinter dem Titel „Im Moment anders?“

    „Im Moment Anders“ lautet der etwas verrätselte Titel der neuen Schau in der Mewo-Kunsthalle. Im Ausstellungsraum im ersten Stock empfangen den Besucher Bilder von ebenso rätselhaft befüllten Räumen, die wie fantastische Bühnen anmuten. Ein großes Wandbild zeigt einen krähenartigen Vogel vor einem Buchstabenhaufen. Scheinbar schwerelos fliegen Buchstaben, Steine und geborstene Felsbrocken umher. Traum- oder Erinnerungsspuren wie ein ins Bild ragender, nackter Arm oder ein Vorhang vor einem Fenster tauchen auch in anderen Bildern auf. Das Wandbild „Traces Stage – Anaglyph“ und das kleinere „Atelier“ lässt sich mit einer 3D-Brille räumlich sehen. Doch ist die mit Computer generierte Raumanordnung mehr als ein übliches 3D-Bild, erklärt Tim Berresheim. Ein aufwendiges Rechenverfahren lässt den im Zentrum stehenden Vogel noch plastischer hervorspringen. „Es entsteht die Illusion, als könne man auch hinter die Gegenstände schauen“, sagt er.

    Ausstellung Tim Berresheim MEWO MM
Mit einer App kann man die Bilder aus der Early Bird Serie auch digital neu erleben.
    Ausstellung Tim Berresheim MEWO MM Mit einer App kann man die Bilder aus der Early Bird Serie auch digital neu erleben. Foto: Harald Holstein

    So viel digitale Technik steckt in den Werken von Tim Berresheim

    Für Tim Berresheim ist die digitale Technik kein Selbstzweck. „Es geht darum, dass Technologie uns dazu bringt, neu über Sachen nachzudenken.“ Der 50-Jährige aus Aachen betont, dass in seinen Werken 80 Prozent analoge Kunst und nur 20 Prozent digitale Technik ist. Die Bildideen und Entwürfe haben analoge Wurzeln. Mit ihnen möchte er Schnittstellen zur Kunstgeschichte schaffen. Mit seinen farbintensiven Mimeographien „Observations from a hill“ knüpft er an die surrealistische Bildsprache an. Im Bild „Mein Revier – Jetzt wird geschnuppert!“ nimmt der Künstler die Struktur eines Pastaposters oder eines Setzkastens auf und arrangiert Fundstücke aus dem Wald mit Begriffen aus der Jagd. Daraus entsteht ein Netzplan aus Spuren und Signalen, die der Betrachter verfolgen und entschlüsseln kann.

    Wilde Farbspuren thematisieren den Rausch

    In seinen drei farbintensiven Bildern, die nach Likören benannt sind, thematisiert der Künstler den Rausch. Hier fanden Buntstiftzeichnungen von Motiven aus dem Werk seines Lieblingsmalers Pierre Bonnard Eingang in den Computer. Nach digitaler Rechenleistung mutieren sie zu wilden Farbspuren, die weder den Duktus von Farbstiften, noch von Pinselspuren aufweisen.

    Die Berresheim-Werke „Creme d3 NOy4ux" (links) und „L1qu3ur d3s Peres Ch4rtr3ux".
    Die Berresheim-Werke „Creme d3 NOy4ux" (links) und „L1qu3ur d3s Peres Ch4rtr3ux". Foto: Harald Holstein

    Tim Berresheim interessiert die Frage nach der Autorenschaft. Denn im Bild sind sowohl die Spuren des französischen Post-Impressionisten zu finden, als auch die Handschrift des Künstlers selbst und die der digitalen Rechenanweisungen. So ist für den Betrachter nicht mehr offensichtlich, welches Verfahren zum Bild geführt hat. Das wird auch noch einmal beim Einsatz einer eigens von Berresheim entwickelten App deutlich, mit der man ein von einem Roboterarm gemaltes Bild betrachten kann. Die App macht die zweidimensionale Linienzeichnung auf dem eigenen Handy dreidimensional. Durch Bewegungen im Raum kann man die Zeichnung plastisch erleben.

    Diese Frau hat die Ausstellung in Memmingen gemacht

    Laut Kuratorin Leonie Vinzenz versteht sich Tim Berresheim als „Gegenwartsarchäologe“. Sie arbeitet seit Oktober 2023 in der Kunsthalle mit und beschäftigte sich mit Öffentlichkeitsarbeit und Kunstvermittlung. Vinzenz lebt in Augsburg und schloss auch dort ihr Studium ab. Zum Abschluss ihres zweijährigen Volontariats durfte die Kunst- und Kulturwissenschaftlerin eine eigene Ausstellung kuratieren. Unter dem Stichwort „Digitalität“ begann sie nach künstlerischen Positionen zu suchen. „Es ist wichtig, die Medien zu reflektieren“, sagt die 29-Jährige. Was sie im Anschluss machen wird, weiß Leonie Vinzenz noch nicht – aber sie sei zuversichtlich. Die Aussichten seien gut. Sie werde auf jeden Fall im Kunst- und Kreativbereich bleiben. Im Moment ist sie einfach nur dankbar, dass sie eigenverantwortlich diese Ausstellung gestalten und betreuen durfte.

    „Die Schau hat ins Schwarze getroffen“

    Mit Tim Berresheim, der Kunst auf kleinem Raum vielfältig erlebbar macht, hat Leonie Vinzenz ins Schwarze getroffen. Er gibt wesentliche und notwendige Anstöße, über Kreativität und digitale Technik zu reflektieren. Und zwar schon an Punkten, die weit vor dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz liegen.

    Die Ausstellung in der Mewo-Kunsthalle Memmingen läuft bis 26. Oktober, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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