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MZ vor Ort: Meinungen zum neugestalteten Weinmarkt in Memmingen

Weinmarkt im Fokus

Das sagen Memminger zum neuen Flair am Weinmarkt

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    Beim „MZ vor Ort“ wollten Maike Scholz, Leiterin der Lokalredaktion (Zweite von links), sowie ihre Stellvertreterin Verena Kaulfersch (rechts) wissen: Wie gefällt der neugestaltete Weinmarkt? Die Aktion wurde gut angenommen.
    Beim „MZ vor Ort“ wollten Maike Scholz, Leiterin der Lokalredaktion (Zweite von links), sowie ihre Stellvertreterin Verena Kaulfersch (rechts) wissen: Wie gefällt der neugestaltete Weinmarkt? Die Aktion wurde gut angenommen. Foto: Uwe Hirt

    Kaum ein Thema löst in Memmingen solche Debatten aus wie die Neugestaltung des Weinmarkts: Für Autos ist der Platz seit dem 1. März tabu – stattdessen wurden mit dem „Bürgerforum“ zwei großflächige Sitzgelegenheiten aus Holz geschaffen, es wurden Bäume gepflanzt und ein Wasserspiel angelegt. Wir wollten bei einem „MZ vor Ort“ wissen: Wie gefällt der neugestaltete Weinmarkt und welche Meinungen gibt es zur veränderten Verkehrsführung in der Innenstadt?

    „Zum Weinmarkt gibt es Vieles zu sagen“, so Herbert Ritter. Der gebürtige Ottobeurer lebt seit acht Jahren in Memmingen und wünscht sich eine „mediterrane Atmosphäre“. Der Weinmarkt solle ein Ort werden, an dem man gerne verweilt. „Viele Innenstädte sind von der Fläche her so versiegelt. Ich vermisse mehr Bäume und Blumenkästen.“ Bäume, die mit LED-Lichtern verbunden werden, könnte er sich gut vorstellen, um ein „gewisses Flair“ zu schaffen. Sein großer Wunsch: „Dass Leben in die Innenstadt kommt.“ Ab und an könnte er sich dazu auch ein Standkonzert auf dem Weinmarkt vorstellen.

    Der Weinmarkt in Memmingen ist seit dem 1. März für den motorisierten Individualverkehr gesperrt. An der Umgestaltung des Platzes scheiden sich die Geister. Kaum ein Thema löst in Memmingen solche Debatten aus.
    Der Weinmarkt in Memmingen ist seit dem 1. März für den motorisierten Individualverkehr gesperrt. An der Umgestaltung des Platzes scheiden sich die Geister. Kaum ein Thema löst in Memmingen solche Debatten aus. Foto: Uwe Hirt

    Karl-Heinz Straßer ist gebürtiger Memminger und vertritt seine Heimat auch als Stadt- und Gästeführer. „Momentan sind viele Urlaubsgäste in Memmingen, die extra zur Ausstellung rund um ,500 Jahre Zwölf Artikel’ kommen. Natürlich ist man in Urlaubsstimmung und hat eine rosarote Brille auf, aber ich habe bisher nur Positives zu unserer Innenstadt gehört.“ Straßer weiß: „Natürlich kann und muss man alles von zwei Seiten betrachten, aber für mich ist die Aufenthaltsqualität am Weinmarkt immens gestiegen.“ In Sachen Verkehrsführung sieht der Memminger ausreichend Parkmöglichkeiten. Deswegen befürworte er, den Individualverkehr einzuschränken. „Obwohl ich auch den Einzelhandel verstehen kann“, sagt er. Karl-Heinz Straßer ist sich sicher: Nach einer gewissen Umgewöhnungsphase wird sich die Neugestaltung auszahlen.

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    In der Martinskirche in Memmingen findet ein großer Festakt zum Gedenken an "500 Jahre Zwölf Artikel" und den Allgäuer Bauernaufstand statt. Anschließend gab es einen Empfang in der Stadthalle.

    Ähnlich sieht es Tanja Alverdes. Sie ist bei der Klimainitiative Memmingen engagiert: „Ich glaube, dass sich die auswärtigen Besucher, die jetzt noch mit dem Parken hadern, umstellen müssen und dann in die Parkhäuser fahren.“ Sie sagt: „Für mich sind die Neugestaltung des Weinmarktes sowie die veränderte Verkehrsführung ein totaler Gewinn an Lebensqualität, der den Parkplatzfrust aufwiegt.“ Sie sei allerdings gespannt, welches Feedback die Händler geben werden. „Es braucht aber nicht nur neue Konzepte, weil der Weinmarkt für den Individualverkehr geschlossen wurde, sondern beispielsweise ja auch wegen des Online-Handels.“

    Die neue Verkehrsführung in der Innenstadt von Memmingen sorgt für Kritik

    Herbert Müller lebt seit 50 Jahren in Memmingen. Die Neugestaltung des Weinmarktes überzeugt ihn nicht. Darüber hinaus lasse sich die Verkehrsführung Besuchern der Stadt nicht erklären, ist er der Meinung. „Von den Läden hört man immer wieder, dass sie sich nicht mehr lange halten können“, so Müller: „Anderen gefällt der Weinmarkt vielleicht besser. Mir nicht.“

    Marita Simmler aus Berkheim hat bei der Stadthalle geparkt und ist zu Fuß weiter. Im Sommer radelt sich auch nach Memmingen. „Ich finde es schön hier, aber für die Händler und Gastronomen ist es vielleicht schlechter. Außerdem denke ich an ältere Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Da war ein Parken auf dem Weinmarkt schon besser.“

    „Wasserspiel und Sitzbänke sind viel schöner als vorbeifahrende und parkende Autos.“

    Christine Weiß, aus Memmingen

    Christine Weiß aus Memmingen vermisst die Autos nicht. Zum neugestalteten Weinmarkt sagt sie: „Ich finde es gut. Die Lebensqualität ist einfach angenehmer geworden. Wasserspiel und Sitzbänke sind viel schöner als vorbeifahrende und parkende Autos.“ Einbußen bei Händlern und Gastronomen, da ist sie sich sicher, liegen nicht nur an der neuen Situation, sondern auch am Online-Handel und hohen Mieten.

    Inge Plänkers ist mit ihrem Mann aus dem Rheinland nach Memmingen gezogen. „Wir leben hier gut und schön. Memmingen ist eine freundliche Stadt. Wir wurden so lieb aufgenommen“, erzählt sie. Den neugestalteten Platz im Zentrum findet sie „sehr schön“. Gleichwohl bemerke sie immer wieder Autos, die trotz Verbot den Weinmarkt queren. Da müsse mehr kontrolliert werden. Zudem wünsche sie sich mit Blick auf Roller- und Radfahrer mehr Sicherheit für die Fußgänger, mehr gegenseitige Rücksichtnahme. Einen Vorschlag für die Stadt Memmingen hat sie im Gepäck: „Es wurden all die Klimabäume gepflanzt. Es wäre schön, wenn an den Bäumen kleine Schilder mit Erklärungen angebracht wären.“

    Leserinnen und Leser bemängeln, dass Autofahrer weiterhin das Verbot ignorieren und auf den Weinmarkt einfahren. Sie fordern Kontrollen.
    Leserinnen und Leser bemängeln, dass Autofahrer weiterhin das Verbot ignorieren und auf den Weinmarkt einfahren. Sie fordern Kontrollen. Foto: Maike Scholz

    Dietmar Männer aus Memmingen ist überwiegend mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs. „Ich finde grundsätzlich super, was mit dem Weinmarkt gemacht wurde, gerade auch mit Blick auf die Auto-Poser. Die fand ich einfach unmöglich.“ Die Aufenthaltsqualität habe sich aus seiner Sicht wesentlich verbessert. „Natürlich gibt es immer zwei Seiten einer Medaille. Für die, die nicht so gut zu Fuß sind, muss das entsprechende Park- und Busangebot zur Verfügung stehen“, sagt er. Dabei blickt er auf die veränderte Verkehrsführung. Der Bereich am Roßmarkt sei unübersichtlich. „Aber irgendwo muss man Kompromisse machen“, meint er. Männer freut sich, dass die neuen Sitzgelegenheiten auf dem Weinmarkt so gut angenommen werden. Damit das auch im Sommer so bleibt, müssten Schattenspender her: „Sonst wird es vermutlich einfach zu heiß, um dort noch zu sitzen.“

    Alexander Schraut weist auf Verhältnismäßigkeiten hin. Wie steht es um die Durchfahrbarkeit Ost-West, wenn der Weinmarkt zu ist? Wie steht es um Erreichbarkeiten und die Kundenfrequenz? Statt einem aus seiner Sicht Verkehrschaos hätte er einen Kompromissvorschlag gerne gesehen: der Weinmarkt in den Sommermonaten sowie an allen Wochenenden für den Individualverkehr gesperrt, in den Herbst- und Wintermonaten als Durchfahrtsmöglichkeit geöffnet. „Die Leerstände machen einem schon Sorgen. Die Befürworter für Händler kommen zu kurz.“

    Stefan Jüttner aus Memmingen: „Ich glaube, über den Sommer wird sich das einspielen.“

    Das sieht Stefan Jüttner anders. Der Memminger ist Mitglied bei der ÖDP und sagt zum Weinmarkt: „So wie es jetzt ist, ist es gut.“ Aus seiner Sicht ließe sich darüber nachdenken, den Weinmarkt für Taxen zu erlauben, damit zum Beispiel ältere oder gehbehinderte Menschen dort abgesetzt werden können. Ansonsten ist sich Jüttner sicher: „Ich glaube, über den Sommer wird sich das einspielen. Es ist ein Gewöhnungsprozess. Man kommt überall hin, muss eben nur denken, bis sich Abläufe wieder im Kopf festgesetzt haben.“

    Davon ist Gaby Bachmann nicht überzeugt. Sie lebt in Bad Grönenbach, arbeitet in Memmingen. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jedes Auto auf dem Weinmarkt angehalten hat, wenn ein Fußgänger über die Straße wollte. Das war klasse. Jetzt ist es für ältere Menschen einfach schwierig, zum Weinmarkt zu kommen.“ Gleichwohl sagt sie: „Sitzplätze und Bäume sind gut, sicher auch für die Gastronomie. Mich persönlich haben die Autos nicht gestört, aber vielleicht kann man noch über einen Brezeltarif nachdenken, damit das Parken in der Innenstadt günstiger wird.“

    „Eine alte Stadt braucht zwischendurch mal etwas Neues, Modernes.“

    Martina und Stephan Meisel, zur Neugestaltung des Weinmarktes

    Martina und Stephan Meisel, die zuvor in Nürnberg, München und im Rheinland zuhause waren, leben seit etwa einem halben Jahr in Memmingen und loben die Gestaltung als „wirklich gelungen“. Das spiegelt sich für Martina Meisel in der Atmosphäre: „An den ersten sonnigen und warmen Tagen haben die Leute auf dem Bürgerforum gesessen und was gegessen und auf der oberen Ebene sind die Kinder herumgeturnt. Das war richtig schön.“ Die spöttische Bezeichnung „Särge“ für das Bürgerforum können die Meisels nicht nachvollziehen: „Eine alte Stadt braucht zwischendurch mal etwas Neues, Modernes.“ Gerne kauft das Ehepaar auch weiterhin bei der Metzgerei am Platz ein – trotz Sperrung für Autos und kurzem Laufweg zum Parkplatz. „Es ist für eine Innenstadt ja auch nicht sinnvoll, dass die Leute kommen und gleich wieder weg sind“, gibt Stephan Meisel zu bedenken.

    Sieglinde Will findet den neuen Weinmarkt „soweit ok“. Doch die Erolzheimerin sagt auch: „Ich kann mir vorstellen, dass die Veränderungen für viele Leute Einschränkungen bedeuten.“ Dabei denkt sie etwa an eine 86-jährige Freundin. Diese besuche regelmäßig die Metzgerei sowie eine Bank in der Nähe des Weinmarkts, müsse nun am Hallhof parken und für sie beschwerliche Fußwege zurücklegen. Für Autofahrer ist nach Wills Meinung noch nicht deutlich genug ausgeschildert, dass die Durchfahrt nun verboten ist.

    Warum diese Memmingerin keine Begeisterung für die Neugestaltung des Weinmarktes in Memmingen verspürt

    Luise Blum aus Memmingen ist „nicht total dagegen“, doch Begeisterung über die Neugestaltung verspürt sie nicht. Ein für sie wichtiger Punkt: „Der Weinmarkt ist autofrei, aber keine Fußgängerzone. Es sind nach wie vor Busse und Radfahrer unterwegs.“ Sie fügt an: „Es wird immer betont, dass man sich jetzt so schön niederlassen und die Kinder springen lassen kann. Aber man muss schon aufpassen.“ Die neue Verkehrsführung in der Altstadt ist für sie kein großer Wurf: „Ich habe viele Bekannte aus dem Umland, die jetzt nicht mehr zum Einkaufen nach Memmingen wollen und anderswohin ausweichen. Auch weil Parkplätze fehlen und sie die Parkhäuser zu teuer finden.“

    Margit Pietrzyk hat kein Verständnis dafür, dass es immer wieder Kritik am neuen Weinmarkt gibt. Bei „Memmingen blüht“ legte die Buxheimerin mit ihrem Mann eine Pause am Bürgerforum ein und „wir haben es beide toll gefunden“. Das Ergebnis der Neugestaltung überzeugt sie durch und durch. Einen klaren Unterschied bemerkt sie, wenn sie ab und zu zum Kaffeetrinken herkommt: „Ich genieße, dass keine Autos mehr durchschießen.“ Zwar sei der Platz nicht frei von Verkehr und darum eine gewisse Umsicht geboten, doch für die Buxheimerin ist es „absolut logisch“ auf dem Platz rücksichtsvoll zu fahren, wenn sie etwa mit dem Rad unterwegs ist.

    Früher sei es vorgekommen, dass Autos mit lauter Musik Runde um Runde über den Weinmarkt drehten, erinnert sich Alfred Josef Schropp: „In einer halben Stunde mindestens zehnmal.“ Der Memminger fühlt sich auf dem neugestalteten, autofreien Platz wohl und beobachtet, dass sich der „Publikumsverkehr“ erhöht habe. Was die Lage des Einzelhandels betrifft, sieht er weniger das Durchfahrtsverbot als zu hohe Ladenmieten in Geschäftsstraßen als Problem. Kritisch beurteilt er indes, dass die Stadt in Zeiten, in denen sie zum Sparen gezwungen ist, für den Umbau „zu viel Geld in die Hand genommen“ habe.

    „Ich bin total happy, dass die Autos raus sind.“

    Ingrid Linse, aus Memmingen

    „Ich bin total happy, dass die Autos raus sind“, sagt Ingrid Linse aus Memmingen: „Wie oft ich selber über den Weinmarkt gefahren bin, kann ich an einer Hand abzählen, weil es mir immer zu gefährlich war.“ Nun freut sie sich darauf, hier mit ihren Enkeln entspannt ein Eis essen zu können. Zwar rollten weiter Busse über den Platz, aber diese hielten das Schritttempo ein – „und weil keine geparkten Autos mehr hier stehen, ist es viel übersichtlicher“. Ein großes Plus sind für Linse die Bäume: „Angesichts der Klimaerwärmung werden wir in den nächsten Jahren für jeden Quadratzentimeter Schatten dankbar sein und der Schatten von Bäumen ist etwas anderes als der von Häusern.“ Zwar hat Linse Probleme mit dem Gehen, den Wegfall der Parkplätze bedauert sie aber nicht. „Ich nutze lieber das nächstgelegene Parkhaus statt Kurzzeitparkplätze, weil ich mich so nicht hetzen muss und im Zweifel lieber mehr bezahle.“

    „Man kann sich jetzt hinsetzen, ohne etwas bestellen zu müssen“, sagt Andreas von Kietzell über die Sitzgelegenheiten. Damit sei auch etwas darüber hinaus entstanden: die Möglichkeit zur Begegnung. „Ich denke, dass dieses Konzept aufgeht.“ Die Atmosphäre des Platzes, der nun von Parksuch- und Durchgangsverkehr befreit sei, habe deutlich gewonnen. Von Kietzell plädiert dafür, die Veränderungen „positiv anzunehmen“. Schließlich wünsche sich auch kaum jemand Parkplätze auf dem Marktplatz und die Kramerstraße als Durchgangsstraße zurück.

    Der Weinmarkt und die veränderte Verkehrsführung

    Mit dem Vorhaben eines autofreien Weinmarktes gingen viele Diskussionen einher – seitens der politischen Gremien, aber eben auch innerhalb der Bevölkerung sowie von den ansässigen Gastronomen und Gewerbetreibenden. Ziel: Der Weinmarkt sollte als Platz aufgewertet und an die klimatischen Herausforderungen angepasst werden. Eine Maßnahme war, den Weinmarkt vom motorisierten Individualverkehr zu entlasten. Das brachte Veränderungen in der Verkehrsführung mit sich, die in mehreren Stufen umgesetzt wurden.

    Die erste Stufe erfolgte Ende Juni 2024 mit der Drehung der Fahrtrichtung der Straße „Im Klösterle“. Seit September vergangenen Jahres wurden zudem die Fahrtrichtungen der Lindauer Straße und der Hofgasse gedreht. Der Schweizerberg leitet den Verkehr stadtauswärts.

    Eine dritte Stufe sollte im Herbst 2024 erfolgen. Die Mitglieder des Stadtrates entschieden aber neu: Der letzte Schritt umfasste die Umwandlung des Weinmarktes in einen Fußgängerbereich (Linienverkehr und Fahrräder sind frei) sowie die Einbahnregelung am Schrannenplatz von West nach Ost (Richtung Bahnhof). Die Umsetzung erfolgte zum 1. März dieses Jahres.

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