Wenn eine Rockband seit 55 Jahren im Geschäft ist, kann man nicht erwarten, dass sie heute in Originalbesetzung musiziert. Im Fall von „Nazareth“ ist das auch nicht möglich, denn bis auf den 78-jährigen Bassisten Pete Agnew sind alle Mitglieder aus der Gründerzeit im Laufe der Jahre verstorben. Doch die schottische Band ist unverwüstlich, hat sich mehrere Male erneuert und tourt unverdrossen weiter. Im Kaminwerk freuten sich rund 600 Besucherinnen und Besucher über den knackigen Auftritt mit einer Handvoll ihrer berühmten Balladen und etlichen kernigen Rock-Meilensteinen.
Carl Sentance schmachtet Ballade „Love Hurts“
Mit Carl Sentance hat Nazareth einen guten Griff getan. Zum einen raspelt seine Stimme fast ebenso penetrant an den Nervensträngen des Hörers wie das Organ seines Vorgängers Dan McCafferty, der den Sound von Nazareth maßgeblich prägte. Sie ist zudem sehr variabel und nahe genug am Original, um alte Fans nicht zu verprellen. Zum anderen sitzt dem Frontmann der Schalk im Nacken. Als zu „Love Hurts“ die Handys im Publikum nach oben schnellen, schnappt sich Sentance flink eines davon, filmt sich selbst beim Schmachten der Ballade und lässt das Gerät anschließend verschmitzt grinsend in seiner Hosentasche verschwinden.
Pete Agnew zupft den Bass lustvoll wie eh und je
Vor allem aber ist Sentance ein ausgekochter Wildbutz, der wendig über die Bühne fegt, wüst rockt, die Faust ballt, zornig blicken kann und dabei gerne auch seine Mitmusiker glänzen lässt. Jimmy Murrison, der Lead-Gitarrist, entschwebt bei „Changin‘ Times“ mit einem scheinbar ewig langen Solo. Pete Agnew zupft den Bass lustvoll wie eh und je, während Sohn Lee Agnew bodenständig das Schlagzeug bedient. Die Rhythmusabteilung liegt bei Nazareth vollständig in Familienhand.
So viele Jahre haben die Songs auf dem Buckel
Dem großen Publikum bekannt geworden sind Nazareth durch Schleicher wie „Dream on“ oder „Sunshine“. Auch sie finden ihren Platz zwischen den finsteren, bluesigen und harten Stücken und zerteilen das Konzert in gut verdauliche Häppchen. Obwohl Nazareth aktuell immer wieder Alben veröffentlichen, haben sämtliche Stücke im Kaminwerk zwischen 40 und 50 Jahre auf dem Buckel. So ist der Seniorenanteil im Zuschauerraum naturgemäß hoch. Dass fast alle Songs aus dem grandiosen sechsten Studioalbum zu Gehör kommen, freut die Fans. „Hair of the Dog“ (1975) wird rückblickend als wichtiger Grundpfeiler bei der Entstehung des Heavy Metal gesehen.
Gruppe „Rook Road“ läuten den Abend mit Hardrock ein
Standesgemäß eingeläutet hat den Abend im Werk die Gruppe „Rook Road“ mit ihrem auf Alt getrimmten Nostalgie-Hardrock. Deep Purple, aber auch Uriah Heep und frühe Whitesnake lassen aus der Ferne grüßen. Was will man mehr: Zwei knackige Konzerte ohne Sperenzchen.
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