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Saskia Biehler

Turbulente Komödie

„Abschiedsdinner“ feiert Premiere am Landestheater in Memmingen

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    Freundschaftliche Anziehungskraft? Das Landestheater Schwaben zeigt „Das Abschiedsdinner“ mit Klaus Philipp (links) als Antoine und Harald Schröpfer als Pierre.
    Freundschaftliche Anziehungskraft? Das Landestheater Schwaben zeigt „Das Abschiedsdinner“ mit Klaus Philipp (links) als Antoine und Harald Schröpfer als Pierre. Foto: Karl Forster/LTS

    Es herrscht ganz offensichtlich Stress im Hause Lecoeur. „Mein Mann flattert unmotiviert durch die Gegend, sinn- und schlipslos“, kommentiert Clotilde Lecoeur die Szene. Das Ehepaar ist zum Abendessen eingeladen. Schon jetzt sind sie heillos zu spät. Pierre Lecoeur trägt noch nicht mal eine Hose. „Welche sind besser?“, will Clotilde zu ihren beiden Schuhoptionen wissen. „Die Blauen,“ schießt er blitzschnell hervor, sehr zum Missfallen seiner Gattin. Es steht kein blaues Paar zur Auswahl. Da entfährt es Pierre: „Boris hat Recht!“ „Du meinst, man soll nach 15 Jahren seine Ehefrau und seine Kinder für eine 22-Jährige verlassen?“, bemerkt sie spitz.

    Darum geht es in dem Stück „Abschiedsdinner“ am Landestheater in Memmingen

    Doch es geht um ein sogenanntes Abschiedsdinner. Ausgediente Freundschaften werden rigoros gestrichen, allerdings erst nach einem letzten Abendessen. „Das Prinzip des Abschiedsdinners ist, dass nur Du weißt, dass es ein Abschiedsdinner ist“, erklärt Pierre seiner verblüfften Gesprächspartnerin. Die ist erstmal schockiert von der Idee. Doch Pierre lässt nicht locker: „Weißt Du, wie viele freie Abende für uns bleiben?!“ Clotilde knickt bald ein. Wer hat heutzutage schließlich überhaupt noch Zeit für irgendwas, vor allem wenn erstmal die Kinder da sind. Da ist die verfügbare Freizeit begrenzt, für Freunde ganz besonders.

    Heutzutage kann ohnehin jeglicher Aspekt des Lebens optimiert werden. Warum sollte man also vor dem Freundeskreis haltmachen? Effizienz ist höchste Priorität. Nur – kann man das so einfach auf das Zwischenmenschliche herunterbrechen? Vor allem, wenn dem Auserwählten bald schwant, was da läuft. Und Antoine ist exzentrisch und sensibel. Keine einfache Mischung für diesen ersten Versuch.

    Autoren haben auch Drehbuch zu „Der Vorname“ geschrieben

    „Das Abschiedsdinner (Un dîner d’adieu)“ heißt die neue Komödie im Landestheater Schwaben. Die beiden französischen Autoren Matthieu Delaporte und Alexandre De La Patelliére haben bereits eine Vielzahl von Drehbüchern zusammen geschrieben, unter anderem „Der Vorname“. Den meisten ist das vermutlich als Verfilmung mit Christoph Maria Herbst, Iris Berben und Florian David Fitz ein Begriff. „Das Abschiedsdinner“ bewegt sich auf ähnlichem Terrain. Erneut werden jegliche soziale Tabus auf die Spitze getrieben. Darf man sowas überhaupt? Das ist auch hier die große Frage. Aber man kann die Beweggründe halt einfach verstehen.

    Drastische Methode

    „Freunde, die keine Freunde mehr sind, sondern Gewohnheiten“, benennt der Protagonist sein Problem. Und so ein wenig kennt das wohl jeder, wie schnell man sich in gesellschaftlichen Verpflichtungen verheddern kann. Da stellt sich schon die Frage, wie möchte ich meine (knapp bemessene) Zeit wirklich dafür einsetzen. Diese Methode ist natürlich drastisch.

    Minimalistisch gehaltene Kulisse

    Regisseurin Lucia Reichard inszeniert das Stück trotzdem recht unprätentiös. Die Kulisse ist minimalistisch gehalten– eine Reihe grauer Sitzhocker. Auf Klamauk wird überwiegend verzichtet, obwohl dafür genügend Raum geboten wäre. Auch das Paar Lecoeur (gespielt von Gabriele Fischer und Harald Schröpfer) wirkt nicht überzogen, könnte so tatsächlich existieren. Im Laufe des Abends nimmt das Spektakel jedoch immer weiter Fahrt auf. Das liegt vor allem an Klaus Philipp als Antoine, der ordentlich Schwung ins Geschehen bringt. Als exzentrisches Sensibelchen darf er sich austoben. Ein emotionaler Ausbruch jagt den nächsten. Dafür wird besagte Kulisse vollumfänglich genutzt. Egal, ob liegend, springend oder tanzend – Philipp kann den Raum für sich zu nutzen. Der gebürtige Allgäuer bringt die nötige Würze in dieses Gericht.

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