Das Oberlandesgericht Wien hat Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz am Montag vom Vorwurf der Falschaussage freigesprochen. Das Urteil hebt eine vorherige Verurteilung zu acht Monaten Haft auf Bewährung auf. Hintergrund: Der ÖVP-Politiker war im Jahr 2020 vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss nach seiner Rolle bei der Bestellung von Aufsichtsräten für die Staatsholding ÖBAG befragt worden. Nach Auffassung der ersten Instanz hatte er dabei seinen maßgeblichen Einfluss heruntergespielt. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sind seine damaligen Antworten aber nicht als falsch zu werten.
Mit dem Richterspruch nimmt die Causa rund um die mögliche Falschaussage von Kurz und dessen damaligem Kabinettschef Bernhard Bonelli eine weitere Wendung. Der Politiker wurde freigesprochen, weil er nach Ansicht des Gerichts damals „keine erheblichen Aussagen verschwiegen“ habe – anders als sein Vertrauter Bonelli. Dessen Schuldspruch vom Februar 2024 – Kurz war erstinstanzlich zu acht Monaten bedingt, Bonelli zu sechs Monaten bedingt verurteilt worden – bestätigte das Oberlandesgericht.
Bonelli habe vor dem Parlament gesagt, er habe nicht gewusst, dass der Unternehmer Sigi Wolf sich für den ÖBAG-Posten interessiere. Entsprechende Chats, die die Ankläger der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgelegt hatte, sah das Gericht als ausreichend an, um das erstinstanzliche Urteil zu stützen. Die Strafhöhe sei vom Richter der ersten Instanz „mit Augenmaß“ verhängt worden. Bonellis Strafe ist damit rechtskräftig.
Sebastian Kurz reagiert erleichtert und kritisiert die Medien
Die OLG-Richter dürften mit ihrem Spruch der Argumentationslinie von Kurz und dessen Verteidigern gefolgt sein: Er habe aus Sicht des Gerichts „nichts Falsches“, sondern nur „zu wenig“ gesagt, argumentierte der frühere Kanzler am Montag: „Wie kann man jemanden bestrafen, der mitten in der Antwort unterbrochen wurde?“ Die Videoaufnahmen von Kurz‘ fraglicher Einvernahme hätten gezeigt, dass er die Frage nach seiner Involvierung in die Aufsichtsrat-Bestellung beantwortet habe, dann aber sei die Fragezeit zu Ende gewesen.
Kurz‘ reagierte erleichtert auf den Freispruch: Jahrelang seien die Vorwürfe gegen ihn in den Medien „zelebriert“ worden und nun sei alles in sich zusammengefallen. Den bestätigten Schuldspruch gegen seinen Vertrauten Bonelli bedauerte er: Jeder, der ihn kenne, wisse, „dass das eine der integersten Persönlichkeiten“ sei, so der Ex-ÖVP-Politiker und nunmehrige Firmengründer und Mitarbeiter des US-Tech-Milliardärs Peter Thiel.
Das entscheidende Verfahren gegen Sebastian Kurz läuft noch
Der Freispruch beendet allerdings nur einen Nebenstrang der zahlreichen Ermittlungsverfahren rund um den gefallenen Ex-Kanzler. Nach wie vor ist offen, ob und wann es im Hauptverfahren – es geht unter anderem um Vorwürfe der Untreue, der Bestechung und Bestechlichkeit gegen Kurz und zahlreiche weitere Beschuldigte aus seinem direkten und ehemaligen Umfeld – zu einer Anklage kommt.
Ende November vergangenen Jahres erhielt der einstige Kurz-Vertraute Thomas Schmid einen Kronzeugenstatus zuerkannt – bei entsprechenden Aussagen vor Gericht, die wesentliche Aufklärung des Sachverhalts bringen müssen, kann er auf Strafmilderung hoffen. Schmid hatte vor der Staatsanwaltschaft den ehemaligen Kanzler vor allem in der Causa rund um mutmaßliche Inseraten-Korruption in Boulevardmedien schwer belastet.
Kurz bestreitet auch hier die Vorwürfe, für ihn wie für alle weiteren in der wohl umfangreichsten Korruptionsaffäre in Österreichs jüngster Geschichte gilt die Unschuldsvermutung.
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