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Recht auf Waffe: Österreicher rüsten wegen Corona auf

Waffenbesitz in Österreich

Recht auf Waffe: Österreicher rüsten offenbar wegen Corona auf

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    Waffenhändler Markus Schwaiger zeigt die Repetierbüchse Savage Arms Kal. Dieses Gewehr darf jeder mindestens 18-jährige EU-Bürger mit Wohnsitz in Österreich nach kurzer Wartefrist und Registrierung kaufen, gegen den kein Waffenverbot verhängt wurde.
    Waffenhändler Markus Schwaiger zeigt die Repetierbüchse Savage Arms Kal. Dieses Gewehr darf jeder mindestens 18-jährige EU-Bürger mit Wohnsitz in Österreich nach kurzer Wartefrist und Registrierung kaufen, gegen den kein Waffenverbot verhängt wurde. Foto: Matthias Röder, dpa

    Das Gewehr könnte aus einem US-Thriller stammen. Die Savage Arms Kal. 338 Lapua Magnum ist eine Repetierbüchse, für viel Geld aufrüstbar mit Zielfernrohr samt Computerunterstützung. Damit ist sie als Scharfschützengewehr zielsicher bis in 1500 Metern Entfernung. Jeder mindestens 18-jährige EU-Bürger mit Wohnsitz in Österreich, gegen den kein Waffenverbot verhängt wurde, darf dieses Gewehr in Österreich nach kurzer Wartefrist und Registrierung kaufen.

    "Da werde ich nervös", meint der Wiener Waffenhändler Markus Schwaiger. Er gehört zu denjenigen in der Branche, die auf mögliche Schwachstellen der Gesetzeslage in Österreich hinweisen.

    Deutliche Unterschiede beim Waffenrecht

    Beim Waffenrecht haben Österreich und Deutschland deutliche Unterschiede. In der Bundesrepublik wäre für den Erwerb der Savage Arms zumindest eine Waffenbesitzkarte nötig, sagt ein Sprecher des Landeskriminalamts Bayern. Und generell: "Deutschland hat das strengste Waffengesetz in Europa."

    In der Alpenrepublik herrscht gerade aktuell ein auffallender Drang nach Pistolen und Gewehren. 2020 war für die Branche ein besonders gutes Jahr. Mit einem Absatzplus von fünf Prozent stieg allein der Neuwaffenmarkt laut Analyse des Marktforschungsinstituts Branchenradar so wie seit fünf Jahren nicht.

    1,16 Millionen Schusswaffen in Österreich registriert

    Insgesamt liegen in Österreich viel mehr Waffen - bezogen auf die Einwohnerzahl - in den Schränken und Tresoren ihrer Besitzer als in Deutschland. Laut Innenministerium in Wien sind aktuell 1,16 Millionen Schusswaffen registriert - im neunmal bevölkerungsreicheren Deutschland sind es sechs Millionen. Die Zahl der illegalen Waffen in Österreich schätzen Experten auf mindestens eine Million, wenn nicht mehrere Millionen.

    Der jüngste Grund für den Run auf die Schusswaffen liegt nach Überzeugung Schwaigers nicht an einer neuen Freude an der Jagd, sondern an Corona. "Mit Beginn der Pandemie zog der Waffenverkauf an, offenbar aus Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen und unruhigen Zeiten." Der Experte schätzt, dass die Hälfte der Käufer Sportschützen oder Jäger sind, die andere Hälfte komme wegen der Selbstverteidigung.

    Das Recht zur Verteidigung von Haus, Gut und Leben gehört in Österreich selbstredend zu den Gründen, die der Käufer als Motiv für den Waffenerwerb angeben kann. Bei Revolvern und Pistolen sowie halbautomatischen Waffen sind die Hürden etwas höher. Es ist im Gegensatz zu Deutschland nicht zwingend, die Waffe in einem speziellen Schrank zu lagern. In der Alpenrepublik wird die Gesamtsituation der sicheren Verwahrung berücksichtigt unter dem Motto: Ist ein Schäferhund im Haus?

    Waffenlobby: Besitz in Österreich ist ein Recht, in Deutschland ein Privileg

    "In Österreich ist Waffenbesitz ein Recht, in Deutschland ein Privileg", so der Vorsitzende des deutschen Waffenlobby-Verbands prolegal, David Schiller, zu den ganz unterschiedlich hohen Hürden beim Waffenkauf. Nach spektakulären Waffenfunden oder Attentaten zieht die Debatte um Waffen, ihre Herkunft und etwaige Gesetzeslücken regelmäßig an.

    Zuletzt waren in Österreich bei Hausdurchsuchungen in der Neonazi-Szene über 70 automatische und halbautomatische Schusswaffen, Handgranaten sowie Berge von Munition sichergestellt worden. Der Verdacht: Es handelte sich um ein Nachschublager auch für die rechtsextreme Szene in Deutschland.

    Attentäter von Wien hätte mehr Munition bekommen können

    Vor dem blutigen Anschlag im November in Wien hatte der 20-jährige islamistisch gesinnte Attentäter versucht, in der Slowakei Munition für seine Kalaschnikow zu kaufen. Dieser ungeeignete Versuch zeige schon, wie schlecht dessen Kenntnisse oder sein Netzwerk gewesen seien, meint Schiller, der auch Waffen-Sachverständiger und Berater der Polizei ist. "Auf dem Balkan hätte er solche Munition ohne weiteres in großen Mengen bekommen."

    Speziell in Österreich gilt der Balkan auch als eine der Hauptquellen für die millionenfach vorhandenen illegalen Schusswaffen, Granaten und Pistolen. Nach Ende der dortigen militärischen Konflikte in den 1990er Jahren seien viele Waffen über die Grenze gesickert, sagt Schiller. Auch der Abzug der russischen Armee aus dem wiedervereinten Deutschland habe güterwagenweise Waffen in dunkle Kanäle gelangen lassen.

    Obendrein können bestimmte, ursprünglich ungefährliche Waffen bei entsprechenden Kenntnissen zu tödlichen umgebaut werden. Mit einer wieder scharf gemachten Theaterpistole vom Typ Glock 17 erschoss ein 18-Jähriger beim rassistisch motivierten Anschlag am Münchner Olympiazentrum 2016 neun Menschen. In diesem Fall wurde der Waffenhändler, der dem jungen Mann die Pistole und jede Menge Munition verkauft hatte, unter anderem wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen zu sieben Jahren Haft verurteilt.

    18-Jähriger wollte in Mistelbach ein Blutbad anrichten

    Welches Potenzial eine Waffe in der Hand eines von Rache- und Gewaltfantasien beherrschten Menschen hat, zeigt der Fall eines 18-Jährigen in Österreich. Der Jugendliche wollte 2018 in Mistelbach an seiner ehemaligen Schule ein Blutbad anrichten. Zuvor hatte er eine einläufige Schrotflinte samt 25 Schrotpatronen für rund 195 Euro legal im Waffengeschäft erworben. Er verletzte einen Schüler schwer. Nur eine Ladehemmung verhinderte Schlimmeres.

    Es seien zwar nur ganz wenige Kunden, die ihm letztlich suspekt erschienen, sagt der Wiener Waffenhändler Schwaiger. "Aber wenn sie sich von irgendwelchen Stimmen bedroht fühlen, dann schmeiß' ich die raus."

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