Um es gleich vorweg zu nehmen: Nein, ich war nicht Dr. Sommer. Sie glauben gar nicht, wie oft ich diese Frage schon gehört habe, wenn ich meinen früheren Job erwähnte. Die BRAVO feiert 65. Geburtstag – sieben Jahre davon durfte ich Deutschlands bekannteste Jugend-Zeitschrift mitgestalten. Nicht als Experte für Jugendaufklärung, sondern als Redakteur für Musik, Stars und TV, später als Unterhaltungs-Ressortchef. In dieser Funktion hatte ich oft mit Stars zu tun - oder besser gesagt: mit Menschen, die die Zielgruppe als solche definierte. Selena Gomez, Justin Bieber, Miley Cyrus… Sagen Ihnen gerade nichts? Machen Sie sich keine Gedanken: Sie sind nicht zu alt. Das Problem liegt woanders.
65 Jahre BRAVO: Von Michael Jackson bis Tokio Hotel
Die allermeisten Stars haben heute nur noch eine kurze Halbwertszeit. Als viele von uns aufwuchsen, gab es sie noch – diejenigen, die mehr als eine Generation prägten. Ganz früher die Beatles oder die Rolling Stones, später etwa Michael Jackson. Die BRAVO hatte eine Millionenauflage. Viel später, auch wenn oft belächelt, Britney Spears oder – ja, ernsthaft – Tokio Hotel. Sie alle hatten zumindest diese Unverwechselbarkeit, die sie aus der Masse hervorhob.
Die Stars der jetzigen Generation heißen Younes Zarou, Condsty oder Lisa und Lena. Sie gibt es nicht mehr auf Starschnitten aus Papier, die mehrere Jahre in Jugendzimmern hängen, sondern in 20-Sekunden-Clips auf TikTok oder Instagram. Dort folgen ihnen Millionen junger Menschen.
Und die gute alte BRAVO? Die folgte den heutigen Stars und deren Zielgruppe ins Internet. Ehe ich die Redaktion in München vor einigen Jahren verließ, gab es noch wöchentlich ein Magazin, das trotz Auflagenschwund Hundertausende gekauft haben. Mittlerweile konzentriert sich die BRAVO fast ausschließlich auf ihre digitalen Kanäle.
Auch die BRAVO wird digitaler
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich halte das nicht für schlecht – im Gegenteil. Auch bei der Allgäuer Zeitung treiben wir den digitalen Wandel voran. Papier oder Smartphone, die Frage stellt sich längst nicht mehr. An erster Stelle stehen immer die Qualität der Inhalte und die Glaubwürdigkeit der Marke. Und genau deshalb hat die BRAVO überlebt. Fast jedem ist sie ein Begriff – dabei spielt es keine Rolle, ob das Heft, die BRAVO-Hits-CDs, der Goldene BRAVO-Otto oder jetzt eben der TikTok-Channel gemeint ist.
Ja, wahrscheinlich werde ich noch viele Jahre immer mal wieder als Dr. Sommer angesprochen werden. Schon okay. Auf die nächsten Jahrzehnte, liebe BRAVO.