Erstmals seit der Bestätigung des Rauswurfs von Brandenburgs früherem AfD-Landeschef Andreas Kalbitz durch das Bundesschiedsgericht kommt der AfD-Landesvorstand zu Beratungen zusammen. Bei der Sitzung an diesem Donnerstagabend (18.00 Uhr) in der Nähe von Berlin sollte es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch um Kalbitz gehen, der möglicherweise als Gast dabei sein wollte. Im Vordergrund sollten aber die geplanten juristischen Schritte des Landesverbands gegen die Einstufung als Verdachtsfall durch den Brandenburger Verfassungsschutz und die Anwerbung von Mitgliedern stehen. Für Ärger bei AfD-Chef Jörg Meuthen sorgt, dass Kalbitz an der Spitze der Landtagsfraktion bleiben will.
Kalbitz bestreitet HDJ-Mitgliedschaft
Der AfD-Bundesvorstand hatte die Parteimitgliedschaft von Kalbitz im Mai mit einem Mehrheitsbeschluss annulliert. Als Grund gab er an, dieser habe beim Parteieintritt eine frühere Mitgliedschaft in der inzwischen verbotenen rechtsextremen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) sowie bei den Republikanern nicht angegeben. Kalbitz bestreitet die HDJ-Mitgliedschaft. Das Bundesschiedsgericht bestätigte am vergangenen Samstag den Beschluss, nachdem das Landgericht Berlin ihn nach einem Eilantrag von Kalbitz zwischenzeitlich für unzulässig erklärt hatte. Kalbitz will gegen die Entscheidung des Bundesschiedsgerichts rechtlich vorgehen.
Der Rauswurf hatte einen Machtkampf innerhalb der Partei ausgelöst. Kalbitz war einer der Wortführer des offiziell aufgelösten "Flügels" in der Partei um den Thüringer AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Strömung als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" und Höcke sowie Kalbitz als "rechtsextremistische Führungspersonen" ein. Der Brandenburger Verfassungsschutz erklärte den AfD-Landesverband im Juni zu einem rechtsextremistischen Verdachtsfall.
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Kalbitz will Landtagsfraktionschef bleiben - dagegen hat der AfD-Bundesvorsitzende Meuthen Widerstand angekündigt. Dass ein Nicht-Parteimitglied Vorsitzender einer Landtagsfraktion bleibe, sei "nicht hinnehmbar", und dafür gebe es in der Partei keine Akzeptanz, sagte der Europaabgeordnete Meuthen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstag). "Das wäre eine Beschädigung der Partei im Ganzen. Und in der Fraktion sollten alle verstehen, dass ihnen Vasallentreue zu Andreas Kalbitz jetzt sicherlich nicht zum Vorteil gereicht." Ähnlich hatte er sich am Montag geäußert.
Die AfD-Landtagsfraktion will sich am kommenden Dienstag in Potsdam treffen und über die Situation beraten. Kalbitz kann auch als Parteiloser die Fraktion leiten. Das ist möglich, weil die Fraktion für ihn nach dem Beschluss des Bundesvorstands die Geschäftsordnung änderte. Der stellvertretende Fraktionschef Steffen Kubitzki hatte nach der Bestätigung des Rauswurfs gesagt, über die Konsequenzen müsse beraten werden, damit die Partei nicht weiter Schaden nehme.
SPD-Politiker bezeichnet AfD als "zunehmend verwahrloste Truppe"
Meuthen kommentierte es gelassen, dass Kalbitz vor ordentlichen Gerichten gegen den Rauswurf vorgeht. "Parteiintern ist der Vorgang abgeschlossen. Herr Kalbitz ist kein Mitglied mehr. Und wenn er ein Zivilgericht anrufen will, dann soll er den Weg gehen." Zu Warnungen vor einer Spaltung der rechtspopulistischen Partei sagte Meuthen: "Wir haben im Fall Kalbitz einen Dissens, der erhebliche Unruhe und Streit in der Partei auslöst. Manchmal muss das sein. Meine feste Zielsetzung ist, dass wir bis Jahresende die Partei soweit befriedet haben, dass wir geschlossen in die Wahlkämpfe des Jahres 2021 gehen können."
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, bezeichnete die AfD angesichts des Streits als "verkommene und zunehmend verwahrloste Truppe, die immer weiter im Chaos versinkt". Er sieht AfD-Chef Meuthen in den eigenen Reihen "zunehmend isoliert". "Seine Marginalisierung durch die rechtsextremen Kräfte des Flügels steht ähnlich wie bei Bernd Lucke und Frauke Petry offenbar kurz bevor." Damit spielte er auf die in Flügelkämpfen abgewählten Vorgänger im Amt des Parteichefs an.