Der „Polizeiruf 110“ wird 50 und feiert mit diesem Jubiläum zugleich ein Stück Fernsehgeschichte: Die Reihe, 1971 in der DDR erfunden, ging nach der Wende ins gesamtdeutsche ARD-Programm über und zählt heute mit teils mehr als zehn Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern zu den erfolgreichsten Krimis im deutschen Fernsehen.
Die Jubiläumsfolge heute am 30. Mai trägt den Titel „An der Saale hellem Strande“, und geht mit einem neuen Team aus Halle an den Start: Kriminalhauptkommissar Henry Koitzsch, gespielt von Peter Kurth, und Kriminalkommissar Michael Lehmann, gespielt von Peter Schneider.
Polizeiruf 110 heute am 30. Mai: Das ist die Handlung
Ein Toter vor der Haustür, die dunkle Nacht, ein paar Handydaten: Es ist nicht viel, was die neuen Kommissare Henry Koitzsch und Michael Lehmann im "Polizeiruf 110" aus Halle in der Hand haben. Als letztes Mittel greifen sie zur Funkzellenauswertung. Das führt dazu, dass ein buntes Sammelsurium an Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen durch die Tatnacht gegeistert sind, im Verhörzimmer Platz nehmen.
Und der Krimi, der zum 50. Jubiläum der "Polizeiruf"-Reihe entstanden ist, blättert ihre kleinen Schicksale im Rahmen der großen Mördersuche auf.
Was ist das Besondere an dem Krimi aus Halle?
Das Buch zum neuen Polizeiruf stammt von Clemens Meyer und Thomas Stuber. Die beiden Leipziger haben zusammen schon einige Kinofilme ("Herbert", "In den Gängen") gemacht. Der Jubiläums-"Polizeiruf" trägt auch deutlich ihre Handschrift. "Wir haben uns gefragt: Was können wir denn? Wir können kleine Leute erzählen. Wie kann uns ein Kriminalfall, der nicht zwangsläufig Mord und Totschlag sein muss, an die Figuren, an den Menschenschlag heranbringen und dort ein Licht drauf leuchten?", erzählt Stuber, der auch Regie geführt hat.
Das Ergebnis ist ein Fernseh-Krimi, der genauso gut ein Kinofilm sein könnte und an die Traditionen des "Polizeirufs" anzuknüpfen versucht. Stuber und Meyer legen viel Wert darauf, die kleinteilige Polizeiarbeit zu zeigen.
Das war auch im DDR-"Polizeiruf" so, von dem das DDR-Fernsehen weit über 100 Folgen produzierte. Am 27. Juni 1971 wurde "Der Fall Lisa Murnau" als erste Folge ausgestrahlt. Die sozialistische Konkurrenz zum "Tatort" überstand den Mauerfall und etablierte sich mit wechselnden Ermittlern fest auf dem Sonntagabend-Sendeplatz. MDR, rbb, NDR und BR steuern Folgen bei.
Die Redaktionsleiterin Fernsehfilm beim MDR, Johanna Kraus, erzählt, dass es die Ausgangsidee war, für die neuen Halle-Fälle eine Reihe mit Peter Kurth als Kommissar zu entwickeln. "Thomas Stuber und Clemens Meyer haben den kreativen Part übernommen. Peter Schneider kam dann dazu und ergänzt das ganz toll. Für mich sind das die vier Musketiere", sagt Kraus. Inzwischen steht auch fest, dass es nicht bei dem Jubiläumsfilm bleiben wird. Auch die Fortsetzung wird vom Duo Stuber/Meyer kommen.
Gibt es im Polizeiruf heute Anspielungen an das Jubiläum?
Laut Schriftsteller Clemens Meyer ließ der MDR dem Autorenteam viel Freiheit bei der Konzeption des neuen Krimis. "Das Thema "Polizeiruf" beschränkt sich ja darauf, dass man sagt: Es gibt ein Team, und das ermittelt. Das war es ja schon", sagt der 43-Jährige. Meyer wurde in Halle geboren - und mit dem "Polizeiruf" groß. Er habe sich beim Schreiben auf die alten Filme bezogen. "Die DDR-Polizeirufe hatten immer tolle Titel, das ist wie eine Poetologie", schwärmt er. So erklären sich dann auch die Zwischenüberschriften der einzelnen Episoden in "An der Saale hellem Strande": Es sind Titel alter DDR-"Polizeiruf"-Fälle.
Und noch einen weiteren Verweis in die Vergangenheit haben die Macher des neuen "Polizeirufs" eingebaut: Andreas Schmidt-Schaller alias "Leutnant Thomas Grawe" ist zurück. Von 1986 bis 1995 klärte er in der Reihe schon Verbrechen auf. Jetzt brät er in der Nebenrolle als Schwiegervater des Kommissars Michael Lehmann seinen Enkeln Spiegeleier und beantwortet Fragen ("Wie habt ihr das denn früher gemacht?") seines Schwiegersohns. Die Rückkehr von Grawe sei als "Verbeugung vor diesem altgedienten Schauspieler und Film-Leutnant" gedacht, sagt Meyer.
Kritik: Lohnt sich der Polizeiruf heute?
Das sagen die Kritiker zum Polizeiruf heute:
"Patina liegt über „An der Saale hellem Strande“, das liegt an der Ausstattung, vielleicht auch an Zwischentiteln wie „Kein Tag ist wie der andere“. Aber es liegt kein bisschen an der Geschichte, die einen Schuss Traurigkeit und einen Schuss schwarzen Humor hat, die keineswegs altmodisch erzählt ist, sondern auf Typen und Kauze, auf ruhige Polizeiarbeit und perfekte Verzahnung setzt." Frankfurter Rundschau
"Ohne Zweifel: Da hat jemand gewaltig viel Vergangenheit in den neuen „Polizeiruf 110“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) aus Halle (Saale) gepackt. Altbacken, wird mancher sagen. Stimmt. Viel Tageslicht fängt die Kamera auch nicht ein. Aber warum mal nicht die angestaubte Nummer? Ist schließlich der Jubiläums-Fall für den „Tatort“ des Ostens, der 50 wird." Augsburger Allgemeine
""An der Saale hellem Strande“ ist von Thomas Stuber („In den Gängen“, „Cruso“) so stimmig wie eigenwillig inszeniert und vom Autor Clemens Meyer („Im Stein“, „Die stillen Trabanten“) fast schon dreist großartig geschrieben, also ganz anders. So gut nämlich, dass er vom Fleck weg in die Spitzengruppe aller „Polizeiruf“- und „Tatort“-Folgen je gehört." Stuttgarter Zeitung