Die Hoffnungen waren groß, als der österreichische Verbraucherschützer Peter Kolba im September 2021 zum ersten Verhandlungstag eines Ischgl-Prozesses im Wiener Straflandesgericht angetreten war. Der Chef des Verbraucherschutzvereins (VSV) war damals guter Dinge, für seine dutzenden Mandanten – darunter mehrere Geschädigte aus Deutschland – Schadenersatz von der Republik Österreich zu erstreiten. Das für seine Après-Ski-Szene bekannte Ischgl galt im März 2020 als Hotspot für die Verbreitung des Virus in Teilen Europas und die Frage ist noch immer, ob die Behörden Urlauberinnen und Urlauber nicht hätten besser schützen müssen.
Nachdem der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) in einem im Juni ergangenen Spruch Amtshaftungsansprüche eines deutschen Ischgl-Urlaubers zurückgewiesen hatte, wurden nun alle 130 Einzelklagen sowie eine in Innsbruck anhängige Sammelklage rechtswirksam zurückgezogen. Das berichtet die Tiroler Tageszeitung. Für Kolba bedeutet dies einen Rückschlag – aufgeben will er aber nicht. Im Gegenteil. „So wie die deutsche ist auch die österreichische Justiz sehr unfroh über Amtshaftungsklagen“, kommentiert Kolba die Einstellungen der Sammel- und Einzelklagen im Gespräch mit unserer Redaktion.

Er verweist auf die Staatshaftungsklage des VSV im Falle des insolventen Reiseveranstalters Thomas Cook, bei der es nach fünf Jahren noch nicht einmal zu einer Verhandlung gekommen sei. Der OGH habe – ganz im Sinne der Interessen der Republik, wie Kolba anmerkt – in seiner Ischgl-Entscheidung verneint, dass das österreichische Epidemiegesetz in seiner damals geltenden Fassung nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch eine Einzelperson unter Schutz stelle. Deshalb, so die OGH-Entscheidung sinngemäß, habe auch der einzelne Geschädigte keinen Anspruch auf Entschädigung.
Im Fall Ischgl prüft der Verbraucherschützer eine neue Klage
Der OGH folgte damit der Argumentation der Vorinstanzen. „Das nehmen wir zur Kenntnis“, sagt Kolba. „Was wir nicht hinnehmen, ist, dass der OGH auch sagte, auch die EU-Grundrechtscharta schütze nur die Allgemeinheit und nicht den Einzelnen.“ Zu dieser Rechtsfrage gebe es nämlich unterschiedliche Einschätzungen. „Der OGH hätte seine Rechtsentscheidung vorab dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen“, ist Kolba überzeugt. Weil der OGH dies unterlassen habe, strebt Kolbas VSV nun eine Staatshaftungsklage vor dem Verfassungsgerichtshof an – dieser müsste dann seinerseits den Spruch des OGH auf Rechtmäßigkeit überprüfen. „Aktuell sind wir dabei, die Finanzierungsfrage einer Staatshaftungsklage zu sichern“, sagt Kolba. Dies soll über die Rechtsschutzversicherungen von Betroffenen geschehen. Rund 50 Verfahren könnten dann neu aufgerollt werden.