Der Polizeiruf 110 aus Rostock mit den Ermittlern Alexander Bukow und Katrin König erntete viel Lob bei den Kritikern. Hier Handlung und Kritik.
Handlung: Um was geht es im Polizeiruf 110?
Beim Rostocker "Polizeiruf 110" im Ersten geht es vor allem in eine Richtung - bergab. Der Krimi beginnt mit Bildern einer heruntergekommenen Werft und einer Nachrichtensprecherin, die aus dem Off erklärt, dass es mit diesem Betrieb bald vorbei sein dürfte. Das ist leider brandaktuell. Denn die MV-Werften haben erst kürzlich einen massiven Stellenabbau angekündigt, nachdem die Corona-Krise den asiatischen Mutterkonzern schwer getroffen hat.
"Sabine" heißt die Folge. Die Namensgeberin, die im Mittelpunkt steht, wird von Luise Heyer beklemmend intensiv gespielt: Sie ist Aufstockerin, das heißt, sie kann nicht von dem leben, was ihr eine Zeitarbeitsfirma für die Arbeit in der Werftkantine zahlt.
Apathisch blickt Sabine ins Nichts, während sie zur Arbeit unterwegs ist oder mit dem Fahrstuhl zu ihrer Wohnung im Plattenbau fährt. Die Bank will ihr kein Geld geben, das Amt will keine weitere Umschulung und die Lehrerin will den Sohn trotz Eignung nicht für das Gymnasium empfehlen, weil Sabine ihn ja ohnehin nicht ausreichend unterstützen könne. Dazu die dunkle Wohnung ohne Strom und das Geschrei der Ehefrau, die nebenan zum wiederholten Mal verprügelt wird.
Wie ist die Stimmung bei den Polizeiruf-Ermittlern?
Auch in der Welt von LKA-Profilerin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und ihrem Kollegen Kommissar Alexander Bukow (Charly Hübner) herrscht alles andere als eitel Sonnenschein: Beide sind sich zwar zum Ende der vorhergehenden Folge schließlich nahe gekommen, allerdings hatte Bukow da gerade seinen Vater verloren und Katrin - neuerdings nicht mehr nur "Frau König" - wäre fast wahnsinnig geworden.
Und so kommt wenig Romantik auf zwischen dem grübelnden Bukow und der verunsicherten und verkrampften König. Ob das gewollt ist, ob man es auf die teils ungelenke Inszenierung zurückführen kann oder ob hier die Chemie nicht stimmt, könnte sich in weiteren Folgen auflösen.
Lohnt sich das Einschalten beim Polizeiruf 110?
Nach all der Tristesse ist es fast eine Erlösung, als endlich jemand stirbt, erschossen von Sabine, die nicht mehr einstecken kann und jetzt austeilt. Auf ihrem Plattenbaubalkon raucht sie die Zigarette danach und grinst zum ersten Mal zu hoffnungsvoll-kämpferischer Musik - dem Rio-Reiser-Klassiker "Halt dich an deiner Liebe fest". Nach dieser merkwürdigen Aufhellung haben Bukow und König ihren Fall. Und Sabine belässt es nicht bei einem Toten.
Trostloser als Regisseur Stefan Schaller und Autor Florian Oeller kann man Rostock kaum zeigen. Gescheiterte Existenzen wandeln durch eine zwielichtige Kulisse aus Plattenbau, verlassener Betriebskantine, glanzlosen Büros und bedrohlichen Industriehallen, als wäre die DDR gerade erst zusammengebrochen.
Hinzu kommen zahlreiche Nahaufnahmen von Sabines verstörtem Gesicht. Hier wird bewusst Nähe zum Publikum aufgebaut - mit Erfolg. Die wenigen Male, in denen es sich aufhellt oder Entschlossenheit zeigt, wirken geradezu heilsam, obwohl Sabine Menschen erschießt.
Was sagt die Kritik zum Rostocker Polizeiruf?
"Ein großer Kriminalfilm. Vor allem wegen einer Frau." Welt
"Es ist definitiv kein Fall, der gute Laune macht. Wer gerade selbst mit seiner Situation hadert, sollte den Film besser nicht anschauen." Stern
"Sehnsucht an der Schmerzgrenze, Kapitalismuskritik mit der Wumme: Der Rostock-"Polizeiruf" gibt sich radikaler denn je und erinnert an die Duisburger Klassenkampf-"Tatorte" aus den Achtzigerjahren mit Götz George als Schimanski. Beste Medizin gegen die Corona-Lethargie." Spiegel
""Sabine" ist harter Tobak, der mit bitteren Wahrheiten spielt." n-tv
"Irgendwann sagt Sabine Brenner, die Titelheldin dieses Polizeirufs aus Rostock, zu den Ermittlern: "Ihr kuckt nicht hin." Und das ist, mit müder Stimme gesprochen, einer der Kernsätze dieser Episode, die schlicht "Sabine" heißt und die man lange nicht vergessen wird. Schon weil Luise Heyer diese Frau so gut spielt, dass es einem den Atem nimmt." Süddeutsche