Aktualisiert am Montag, 14.30 Uhr - Angesichts hoher Corona-Infektionszahlen müssen sich die Menschen in Deutschland auf eine grundsätzliche Verlängerung des Lockdowns bis weit nach Ostern einstellen. Ein Beschlussentwurf aus dem Kanzleramt für die Bund-Länder-Runde an diesem Montag (14.00 Uhr) nennt als Datum dafür den 18. April. Zudem müsse die Anfang März beschlossene Notbremsregelung "konsequent umgesetzt werden", heißt es darin. Betont wird, zusätzliche Öffnungen würden bei exponentiellem Wachstum der Infektionszahlen auch unterhalb einer Inzidenzschwelle von 100 ausscheiden.
Eine Passage des Entwurfs, über die noch heftig gestritten werden dürfte, sieht weitere Verschärfungen für Landkreise mit mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche vor (hier die Allgäuer Inzidenz-Werte im Überblick). In diese Kategorie fällt eine stetig steigende Zahl an Wohnorten. Bei den Verhandlungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Regierungschefs der Länder sind wie immer weitreichende Änderungen an dem Papier möglich. Einen Beschluss gibt es erst ganz am Ende. Am 12. April sollen Bund und Länder laut Entwurf erneut zusammenkommen.
Seit der Bund-Länder-Runde am 3. März hat sich die Lage drastisch gewandelt. Anfang März ging es vor allem um einen Stufenplan für mögliche Lockerungen - jedoch nicht als Einbahnstraße. Festgelegt wurde damals ein Mechanismus für die Rückkehr zu Beschränkungen: Diese "Notbremse" soll gezogen werden, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region oder in einem Bundesland an drei aufeinander folgenden Tagen über die Schwelle von 100 steigt. Bundesweit lag diese Inzidenz laut Robert Koch-Institut (RKI) am Montag bei 107,3. Am Sonntag waren es noch 103,9 gewesen, am Samstag 99,9. Auch in der Region liegen Ostallgäu, Unterallgäu und Oberallgäu über dem Wert 100 - dort greift die Notbremse.
Familenbesuche zu Ostern?
Trotz hoher Corona-Infektionszahlen könnten über Ostern die strengen Kontaktregeln für Verwandtenbesuche womöglich gelockert werden. Um 14 Uhr hat die Bund-Länder-Runde begonnen. Kurz davor lag ein neuer Vorschlag auf dem Tisch, der Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen zuzüglich Kindern im Alter bis 14 Jahre aus dem engsten Familienkreis erlauben würde. Dieser wurde am Montagvormittag vom Kanzleramt verschickt und enthält Vorschläge und Forderungen von Seiten der SPD- wie der Unionsseite.
Das Papier, das der Deutschen Presse-Agentur aus mehreren Quellen vorlag, hat den Stand 22. März, 10.00 Uhr. Sehr viele Punkte darin sind noch in eckigen Klammern, darüber dürfte es also noch Diskussionen geben.
Forderungen von Intensivmedizinern, Gastgewerbe und Lehrern
Intensivmediziner pochen angesichts der Zahlen auf einen strengeren Lockdown mit Verschärfungen des Kontaktverbots. "Ich erwarte von den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin, dass sie sich an diesem Montag auf bundesweit einheitliche und ganz einfache Verschärfungen einigen", sagte Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (Divi), der "Rheinischen Post" (Montag).
Die Chefin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Ingrid Hartges, forderte in der Zeitung Öffnungen für die Branche. "Hotels und Gaststätten in Deutschland brauchen endlich eine Perspektive, wann wir unter welchen Voraussetzungen öffnen können", sagte sie. Auch Hotel-Betreiber im Allgäu sind sauer, dass sie im Corona-Lockdown verharren.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisierte in der "Rheinischen Post": "Wenn es den Bundesländern ernst damit gewesen wäre, Schulen trotz stark steigender Inzidenzzahlen offenzuhalten, hätte man dafür sorgen müssen, dass jetzt Lehrkräfte geimpft und Schulen mit Schnelltests in ausreichender Zahl ausgestattet sind. Davon sind wir aber an 9 von 10 Schulen noch meilenweit entfernt."
Unterdessen wächst die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zeigten sich 34 Prozent der Teilnehmer "sehr unzufrieden" und weitere 31 Prozent "eher unzufrieden" mit dem Handeln der Regierung. Dagegen sind nur 4 Prozent "sehr zufrieden" und 26 Prozent "eher zufrieden". 5 Prozent machten keine Angaben.
-- Reisen, Schulen, Ausgangsbeschränkung: Diese Punkte enthält der vom Kanzleramt verschickte Beschlussentwurf: --
Ausgangsbeschränkung: Weitere Verschärfungen stehen zur Diskussion
- Der Entwurf enthält zudem eine Passage, die wegen des exponentiellen Wachstums weitere Verschärfungen ("zusätzliche Maßnahmen") für Landkreise mit mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche vorsieht. Der komplette Passus steht aber in eckigen Klammern, was bedeutet, dass darüber verhandelt werden muss, weil er besonders strittig ist. Unter anderem ist die Rede von einer nächtlichen Ausgangsbeschränkung bis 5 Uhr, "sofern dem nicht gewichtige Gründe entgegenstehen". Die Anfangsuhrzeit ist hier offen gelassen. Eine Ausgangssperre gibt es jetzt schon in den Städten und Kreisen, in denen die Notbremse greift - dort gilt akutell die Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr.
Was ist mit Schulen und Kitas?
- Zudem wird ins Gespräch gebracht, Schulen und Kitas zu schließen beziehungsweise gar nicht zu öffnen, sofern Erzieher, Lehrer und Schüler oder betreute Kinder nicht zweimal pro Woche getestet werden könnten. Ab einer Inzidenz von 200 könnte es demnach eine Schließung von Schulen und Kitas geben. Ob es dann eine Notbetreuung gibt und wie diese aussieht, ist nicht bekannt.
Appell: Ostern nicht verreisen
- Angesichts der bevorstehenden Ostertage heißt es in dem Entwurf: "Bund und Länder appellieren weiterhin eindringlich an alle Bürgerinnen und Bürger, auf nicht zwingend notwendige Reisen im Inland und auch ins Ausland zu verzichten". Und weiter: "Das Auftreten von verschiedenen Covid-19-Varianten und deren weltweite Verbreitung haben gezeigt, dass der grenzüberschreitende Reiseverkehr auch weiterhin auf das absolut erforderliche Mindestmaß begrenzt werden muss. Dieser Passus könnte sich auf die derzeit besonders umstrittenen Reisen von Deutschen nach Mallorca beziehen.
Quarantäne- und Testpflicht für Auslandsreisen?
- Dem Entwurf zufolge noch völlig offen ist indes, ob es künftig für alle Reisenden aus dem Ausland unabhängig der dortigen Inzidenzen eine Quarantäne- und eine Testpflicht geben soll. Dieser Punkt steht ebenfalls in eckigen Klammern und zudem unter einem "Prüfvorbehalt".
- Auch das von den SPD-Ländern ins Gespräch gebrachte Konzept eines "kontaktarmen Urlaubs" in den eigenen Bundesländern steht noch in eckigen Klammern und bedarf demzufolge noch weiterer Gespräche. Es umfasst die Möglichkeit, Urlaub in Ferienwohnungen oder -häusern, Appartements oder Wohnmobilen zu machen, sofern diese über eigene sanitäre Anlagen verfügen. Auch das Essen muss in Eigenregie organisiert werden können.
Urlaub im eigenen Bundesland - Testprojekte geplant
- Im Rahmen von zeitlich befristeten Modellprojekten sollen die Länder außerdem in je einer Region mit einer niedrigen Inzidenz testen können, wie unter strengen Auflagen und mit einem Testkonzept einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens wieder geöffnet werden könnten. "Zentrale Bedingungen dabei sind lückenlose negative Testergebnisse als Zugangskriterium, IT-gestützte Prozesse zur Kontaktverfolgung und ggf. auch zum Testnachweis, räumliche Abgrenzbarkeit auf der kommunalen Ebene, eine enge Rückkopplung an den Öffentlichen Gesundheitsdienst und klare Abbruchkriterien im Misserfolgsfalle", heißt es weiter.
Impfungen und Gesundheitswesen: "Deutlich einschränkende Maßnahmen" notwendig
- Ohne "deutlich einschränkende Maßnahmen" werde die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland so schnell steigen, dass bereits im April eine Überlastung des Gesundheitswesens "wahrscheinlich ist", betonte der Entwurf. Da der Fortschritt bei den Impfungen noch nicht so groß ist, setzt das Papier auf "eine strenge Eindämmung des Infektionsgeschehens in den nächsten Wochen". Dies führe zu einer "früheren Rückkehr zur Normalität und zu insgesamt kürzeren Beschränkungen. Sie ist damit aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen geboten." Am 12. April sollen Bund und Länder dem Entwurf zufolge dann wieder zusammenkommen.
Homeoffice und Corona-Tests
- Gerade in der aktuellen Phase der Pandemie sei es wichtig, dass Unternehmen das Arbeiten von zu Hause ermöglichten, heißt es im Entwurf weiter. Wo dies nicht möglich sei, sollten den Mitarbeitern mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zwei Mal pro Woche Testangebote gemacht werden. Tests von Beschäftigten im Bildungsbereich und von Schülerinnen und Schülern sollten weiter ausgebaut werden. Ziel seien "mindestens zwei Testungen pro Woche". Auch in den Kitas sollten die Beschäftigten mindestens zwei Mal in der Woche getestet werden.
Weitere Funktionen für Corona-Warn-App
- Die App soll im April um weitere Funktionen erweitert werden, unter anderem um eine anonyme "Eventregistrierung". Damit sollen sich Nutzer bei einer Veranstaltung wie einer privaten Geburtstagsfeier oder im Restaurant digital einchecken können. Bei einem positiven Corona-Fall sollen im Anschluss an die Veranstaltung alle Teilnehmer gewarnt werden.
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