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Extremismus: Antisemitische «Welle» in Hessen – deutlich mehr Vorfälle

Extremismus

Antisemitische «Welle» in Hessen – deutlich mehr Vorfälle

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    Mehr als 900 antisemitische Vorfälle hat die Meldestelle RIAS Hessen im vergangenen Jahr erfasst. (Symbolbild)
    Mehr als 900 antisemitische Vorfälle hat die Meldestelle RIAS Hessen im vergangenen Jahr erfasst. (Symbolbild) Foto: Hannes P. Albert/dpa

    Die Meldestelle RIAS fordert angesichts einer massiven Zunahme der von ihr dokumentierten antisemitischen Vorfälle in Hessen eine intensivere Strafverfolgung sowie Konsequenzen für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Auch in den Hochschulpräsidien müsse das Thema aktiv wahrgenommen und gegengesteuert werden, erklärte RIAS-Projektleiterin Susanne Urban in Gießen.

    Die «antisemitische Welle», die seit dem terroristischen Massaker der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 das jüdische Leben bedränge, «muss endlich gebrochen werden», so Urban. Man könne gar nicht mehr davon sprechen, dass das Problem die «Ränder» betreffe. «Es ist uns extrem wichtig, dass wir sehen: Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem», sagte Urban.

    Die Zahlen

    Für das vergangene Jahr hat RIAS Hessen 926 antisemitische Vorfälle im Bundesland registriert und damit 75 Prozent mehr als 2023 – bei einer vermutlich hohen Dunkelziffer. Direkt betroffen als Einzelpersonen waren nach Urbans Worten 189 jüdische oder israelische Personen. Unter den registrierten Vorfällen war dem Bericht zufolge wie bereits im Vorjahr ein Fall von extremer Gewalt. Hierzu zählt RIAS Ereignisse, bei denen es zu Verlust von Menschenleben kommen kann oder die schwere Körperverletzungen zur Folge haben.

    Hinzu kamen 33 Angriffe und 32 gezielte Sachbeschädigungen. In 48 Fällen handelte es sich demnach um Bedrohungen und in 53 um Massenzuschriften, also E-Mails mit antisemitischen Inhalten. Bei 759 Vorfällen ging es um verletzendes Verhalten – etwa Schmierereien an öffentlichen Bauwerken.

    Der sprunghafte Anstieg gemeldeter Vorfälle seit dem Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 habe sich damit auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Für das gesamte Jahr 2023 hatte die Meldestelle 528 antisemitische Vorfälle in Hessen dokumentiert.

    Die Vorfälle im Einzelnen

    In einem Fall sei eine Person so schwer zusammengeschlagen worden, dass sie für eine Woche im Krankenhaus behandelt werden musste, berichtete Urban. In einem anderen Fall sei eine Person beim Aussteigen aus einer Straßenbahn von einem Unbekannten im Vorbeigehen geschubst und zugleich antisemitisch beschimpft worden. «Warum? Die angegriffene Person trug einen Beutel des Verbandes Jüdischer Studierender in Hessen mit dessen Logo mit sich», sagte Urban. «Und da ist ein Davidstern drauf zu sehen. Passanten sahen die Szene, niemand half, alle gingen weiter.»

    Fokus auf Schulen und Hochschulen

    In ihrem Jahresbericht hatte die Meldestelle Schulen und Hochschulen besonders im Blick. Seit April und Mai vergangenen Jahres sei es vermehrt zu antisemitischen Vorfällen an den Hochschulen gekommen. «Hochschulen sind unsichere Orte für jüdische Menschen und solidarische Personen geworden, ob in der Mensa auf dem Campus oder auch in den Seminarräumen und Hörsälen», sagte Urban. Gerade an Schulen spielten zudem soziale Netzwerke wie Tiktok eine ungute Rolle, die zu einer «Entgrenzung» von Antisemitismus geführt hätten.

    Die Folgen für die Betroffenen

    Die Betroffenen trügen meist schwer an den Folgen. Jeder Vorfall werde von jemandem unmittelbar erlebt oder mittelbar gesehen oder gehört, oder die Menschen würden Zeugen. «Und das zieht Kreise – bei direkt und bei nicht direkt Betroffenen, bei Familie, bei Freunden, bei Bekannten», so die Wissenschaftlerin. «Und die Nachwirkungen antisemitischen Erlebens können Tage, Wochen und manchmal Jahre andauern.»

    Was sagt das Innenministerium?

    Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) sprach mit Blick auf die Häufung der Vorfälle von einer «erschreckenden Entwicklung». «Es beschämt mich zutiefst, was Jüdinnen und Juden 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland ertragen müssen», so der Minister. «Gerade für uns Deutsche erwächst eine dauerhafte Verantwortung, niemals zu vergessen, was geschah.»

    Neben einem besseren Schutz jüdischer Einrichtungen setze er sich auf Bundesebene schon länger dafür ein, die Leugnung des Existenzrechts Israels strafrechtlich besser zu erfassen, «damit unerträgliche Parolen auf unseren Straßen und Plätzen verhindert werden können.»

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