Bei der Bewertung des konkreten Risikos, das von einzelnen Terror-Gefährdern ausgeht, sind die Polizeibehörden der Länder ein Stück vorangekommen. Dennoch steht diese Analyse bei einem Teil der Islamisten, die von der Polizei als "Gefährder" oder "relevante Personen" eingestuft werden, immer noch aus.
Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervorgeht, sind mit Stand 23. August 62 Prozent der 552 aktuell als Gefährder bekannten Islamisten mit dem Bewertungstool "RADAR-iTE" daraufhin abgeklopft worden, wie wahrscheinlich es ist, dass sie eine Gewalttat begehen werden. Voraussetzung ist, dass ausreichende Informationen zu der Person vorliegen.
Vorrangig analysiert würden "Personen, welche sich derzeit in Deutschland aufhalten oder deren Rückkehr aus dem Ausland zu erwarten ist", heißt es in der Antwort, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Bei Inhaftierten werde die Bewertung in der Regel vorgenommen, wenn die Haftentlassung absehbar sei. Die Zielvorgabe, möglichst alle Gefährder und relevanten Personen zu bewerten, werde weiterhin "konsequent verfolgt".
Bewertungstool für radikale Islamisten 2017 eingeführt
Das Bewertungstool für radikale Islamisten war 2017 bundesweit eingeführt worden, um die Ressourcen der Polizei auf Extremisten zu konzentrieren, von denen ein hohes Risiko ausgeht. Bei der Bewertung wird unter anderem auf biografische Daten und bestimmte Verhaltensweisen geschaut. Als Gefährder bezeichnet die Polizei Menschen, denen sie schwere, politisch motivierte Gewalttaten zutraut - bis hin zu Terroranschlägen. Daneben hat die Polizei auch sogenannte relevante Personen im Blick. Zum Kreis der "relevanten Personen" zählt, wer in der Szene als "Führungsperson", als "Akteur" oder als Logistiker und Unterstützer agiert.
Die Zahl der islamistischen Gefährder und relevanten Personen, bei denen die Polizei ein "hohes Risiko" sieht, liegt aktuell bei insgesamt 225 und ist seit August 2020 relativ konstant geblieben.
Fall des Weihnachtsmarkt-Attentäters habe gezeigt, wie schnell Fehleinschätzungen passieren
"Wenn knapp 40 Prozent der Gefährder nicht bewertet wurden, bedeutet das, dass rund 200 Personen nicht analysiert wurden, obwohl die Sicherheitsbehörden ihnen schwere und terroristische Straftaten zutrauen", kritisierte der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser. Der Fall des Weihnachtsmarkt-Attentäters habe gezeigt, wie schnell es zu Fehleinschätzungen kommen könne und Gefährder unterschätzt würden. Die Software RADAR-iTE hätte für Anis Amri, der 2016 in Berlin zwölf Menschen tötete, hingegen ein hohes Risiko prognostiziert, dass er einen Anschlag begehen würde.