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Interview: trans*Mann Robin aus Augsburg über das Gendern

Interview

Augsburger trans*Mann: "Gendern ist die einfachste Form, um Offenheit zu zeigen"

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    Robin Scheerbaum wurde als Frau geboren, lebt mittlerweile aber als Mann. Auf Instagram setzt sich der Augsburger unter anderem für eine gendersensible Sprache ein.
    Robin Scheerbaum wurde als Frau geboren, lebt mittlerweile aber als Mann. Auf Instagram setzt sich der Augsburger unter anderem für eine gendersensible Sprache ein. Foto: Pins_view_photography

    Erst das Gendersternchen, dann der Doppelpunkt. Seit Jahren wird über das Gendern diskutiert. Herr Scheerbaum, reicht es nicht aus, wenn beispielsweise nur "Bürgerinnen und Bürger" angesprochen werden? 
    ROBIN SCHEERBAUM: Die Doppelnennung reicht nicht aus, weil sie nicht alle existierenden Geschlechtsidentitäten einschließt. Es gibt eben nicht nur Frau und Mann, sondern auch nicht-binäre, inter- und transsexuelle Menschen. All diese werden bei der Doppelnennung außenvorgelassen. Es wird also über die Sprache so getan, als gäbe es diese Menschen nicht. Durch die Sonderzeichen wird ihnen Raum gegeben. 

    Macht es einen Unterschied, ob mit Sternchen oder Doppelpunkt gegendert wird?
    SCHEERBAUM: Ich selbst verwende den Doppelpunkt, aber an sich ist das Geschmackssache. Es sollte bei der Debatte auch weniger um die Zeichen gehen, als vielmehr um die Einstellung, die dahinter steckt. Ich habe das Gefühl, dass vielen Menschen gar nicht bewusst ist, für was es diese Zeichen braucht. Dabei sind sie meiner Meinung nach sogar die einfachste Form, um im Alltag Offenheit und Wertschätzung gegenüber allen Menschen zu zeigen. 

    Können Sie nachvollziehen, warum sich manche durch das Gendern bevormundet oder eingeschränkt fühlen? Wie begegnen Sie solchen Menschen?
    SCHEERBAUM: Zuerst ist es mir wichtig zu sagen: Ich möchte niemandem etwas aufzwängen oder von oben herab behandeln! Ich versuche immer zu vermitteln, was das Gendern tatsächlich bedeutet und dass ich mir wünschen würde, sich mehr mit dem Hintergrund zu beschäftigen. Ich kann gut nachvollziehen, dass es anfangs Zeit und Übung braucht, mit Gendersonderzeichen zu sprechen und zu schreiben. Auch ich habe mich daran gewöhnen müssen. Aber es geht ja auch nicht um eine Änderung des kompletten Sprachgebrauchs, sondern nur um einzelne Wörter. 

    Vor zwei Jahren hat sich der Rat der deutschen Rechtschreibung bereits kritisch gegenüber Gendersonderzeichen positioniert. Das Argument: Sie würden "die Verständlichkeit, Vorlesbarkeit und automatische Übersetzbarkeit sowie vielfach auch die Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten" beeinträchtigen. Wie kommen solche Aussagen bei Ihnen an?
    SCHEERBAUM: Für mich klingt das immer nach fauler Ausrede. Wie viele englische Begriffe haben sich mittlerweile in unserem Sprachgebrauch etabliert? Wenn regelmäßig gegendert wird, kann das genauso normal werden. Aber ich verstehe auch, dass es am Anfang eine Umgewöhnung ist. Aber je öfter man gegenderte Wörter liest und spricht, desto leichter wird es auch. Sprache ist schließlich immer im Prozess.

    Auf Instagram teilen Sie Eindrücke von Ihrem Weg von einer Frau zu einem Mann und setzen sich auch für gendersensible Sprache ein. Haben Sie manchmal die Sorge, dass die anhaltenden Debatten eher das Gegenteil bewirken und noch mehr Widerstand erzeugen?
    SCHEERBAUM: Über Social Media bekomme ich hautnah mit, wie sehr das Thema spaltet. Auf meine Inhalte wird zum Teil mit sehr viel Hass und Wut reagiert. Das macht mir wirklich Angst. Auf der anderen Seite bekomme ich auch Kommentare, in denen sich Menschen für die Aufklärung bedanken. Aber ja, so wie die Debatte aktuell läuft, ist sie wirklich schwierig, weil sie zur Spaltung führt. Ich bin allerdings der Ansicht, dass es dagegen einfach noch mehr Aufklärung braucht und das versuche ich, über meinen Kanal zu erreichen.

    Sie nehmen seit einiger Zeit Testosteron ein. Werden Sie im Alltag bereits als Mann erkannt? Was löst es in Ihnen aus, wenn Sie "misgendert", also zur falschen Geschlechtsidentität zugeordnet werden?
    SCHEERBAUM: Zum Glück passiert es mir mittlerweile nicht mehr, dass ich der falschen Geschlechtsidentität zugeordnet werde. Durch die Hormonbehandlung entspreche ich optisch bereits dem, was gesellschaftlich als männlich wahrgenommen wird. Immer, wenn ich mit der männlichen Form angesprochen werde, freue ich mich riesig und bin total erleichtert. Besonders deshalb, weil es vor einigen Monaten noch ganz anders war. In Cafés wurde ich zum Beispiel gefragt: Junge Frau, was möchten Sie trinken? Das war sehr schmerzhaft, erniedrigend und frustrierend. So sehr, dass ich im Alltag ständig mit der Angst gelebt habe, mit meiner ehemaligen Geschlechtsidentität konfrontiert zu werden. Denn ich selbst bin mir schon lange sicher, dass ich als Mann leben möchte. 

    Anmerkung der Redaktion: Auf Wunsch des Interviewpartners wurde als Schreibweise "trans*Mann" verwendet.

    Zur Person

    Robin Scheerbaum (25) wurde mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren und outete sich vor drei Jahren als trans*Mann. Seit einigen Monaten nimmt er Hormone ein, das Amtsgericht erkannte ihn bereits als Mann an. Der Augsburger ist außerdem Influencer und klärt auf Instagram über Gendersensibilität auf.

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