Hessens neues Versammlungsrecht ist laut dem höchsten Gericht des Landes weitgehend verfassungsgemäß. Nur formal verstößt es in einem Punkt gegen die Landesverfassung, wie aus einem Urteil des Staatsgerichtshofs in Wiesbaden hervorgeht.
Gegen die Entscheidung (P.St. 2920 und P.St. 2931) ist laut dem Gericht «kein ordentliches Rechtsmittel» möglich. Auffällig sind zwei Sondervoten bei dem Urteil: Bei einem Thema haben fünf und bei einem anderen Punkt drei der insgesamt elf Richter eine abweichende rechtliche Ansicht formuliert. Diese wurden allerdings überstimmt.
Innenminister: Urteil bringt Rechtssicherheit
Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) befand anschließend: «Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs bringt Rechtssicherheit. Die Versammlungsfreiheit ist und bleibt ein hohes Gut, gleichzeitig sind Einschränkungen zum Schutz anderer Rechtsgüter zulässig.»
Geklagt hatten gegen das im April 2023 noch unter Schwarz-Grün in Kraft getretene Landesversammlungsrecht die damaligen Fraktionen von Linke und AfD im Landtag. Die Linke ist mittlerweile nicht mehr im Parlament vertreten. Das reformierte Gesetz räume Polizei und Behörden zu viele Befugnisse ein und es drohe übermäßige Kontrolle, so die Kritik.
Die Linke hatte als Beispiele für eine Verfassungswidrigkeit aus ihrer Sicht die weitreichenden Pflichten der Versammlungsleitung bei Demos zur Erhebung und Mitteilung persönlicher Daten genannt sowie die umfangreichen Möglichkeiten von Bild- und Tonaufnahmen der Polizei und die große Freiheit von Behörden für Verbote und Auflösungen von Demos.
Versammlungsfreiheit gilt als wichtiges Bürgerrecht
Die Versammlungsfreiheit von Bürgerinnen und Bürgern ist vom Grundgesetz und von der hessischen Landesverfassung grundsätzlich geschützt. Die inzwischen schwarz-rote Landesregierung will mit dem Versammlungsfreiheitsgesetz aber etwa gewalttätige und extremistische Demonstranten besser in die Schranken weisen können.
Der vom Staatsgerichtshof gerügte Formfehler in dem Gesetz bezieht sich auf das sogenannte Zitiergebot: Beim Thema Sicherstellung von Gegenständen wie etwa einem Schlagstock bei Demos werde nicht der entsprechende Wortlaut zum Grundrecht der Eigentumsgarantie in der Landesverfassung zitiert. Bis spätestens Ende 2025 müsse es hier eine verfassungsgemäße Neuregelung geben.
Uneinigkeit bei Verbot von Vermummung
Eines der zwei Sondervoten bezieht sich auf das Verbot von Schutzausrüstung und Vermummung im Versammlungsgesetz. Gerichtspräsident Wilhelm Wolf sagte gemäß dem Urteil, auch dies sei verfassungskonform. Vizepräsidentin Ute Sacksofsky erklärte dagegen auch im Namen von zwei Kollegen zu einem der Sondervoten, es sei etwa nicht nachgewiesen, dass vermummte Demonstranten «hemmungsloser agieren» würden. Und auch eine Vermummung aus Angst vor Erkennbarkeit vor politischen Gegnern sei zum Beispiel nachvollziehbar.
Der ehemalige Linken-Landtagsabgeordnete Axel Gerntke sagte nach der Urteilsbegründung: «Die Polizei darf viel und die Demonstrierenden dürfen wenig.» Sie brauchten mehr Rechte - gerade das eine Sondervotum mit fünf gegen sechs Richter zeige, dass selbst Juristen sich hier nicht ganz einig seien, was noch als verfassungskonform zu werten sei.
Kritik am Urteil
Der AfD-Landtagsabgeordnete Patrick Schenk kritisierte, ob eine Demo zulässig sei, «werden weiterhin verstärkt Versammlungsbehörden und Verwaltungsgerichte entscheiden müssen, weil die Ordnungsbehörden mit dem Gesetz in seiner aktuellen Form eine unklare Entscheidungsgrundlage haben».
Innenminister Poseck erklärte, das neu gefasste Versammlungsfreiheitsgesetz sei «bereits vielfach zur Anwendung gekommen». Es habe sich gut bewährt. Die Versammlungsfreiheit sei Ausdruck der Freiheit, der Unabhängigkeit und des Selbstbewusstseins mündiger Bürgerinnen und Bürger. Sie ermögliche es auch politischen Minderheiten, sich öffentlich Gehör zu verschaffen.
«Zunehmende Polarisierung»
Laut dem Urteil seien mögliche Einschränkungen bei Demos verfassungskonform, ergänzte Poseck. «Diese sind auch erforderlich, um einen ordnungsgemäßen Ablauf von Versammlungen zu gewährleisten, erst recht in Zeiten einer zunehmenden Polarisierung und Radikalisierung», betonte er.


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