Die Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Bundeskanzler, die erst im zweiten Anlauf gelang, hat in der Politik in Hessen gemischte Reaktionen ausgelöst. «Ich gratuliere Friedrich Merz von Herzen zur Wahl», erklärte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) in Wiesbaden.
Merz stehe für einen klaren Kurs, wirtschaftliche Vernunft und eine Renaissance der Realpolitik. Diese Eigenschaften benötige Deutschland dringend angesichts der vielen weltweiten Krisen und der gesellschaftlichen Herausforderungen im Land.
Nach dem Scheitern von CDU-Chef Friedrich Merz im ersten Durchgang der Kanzlerwahl hatte Rhein an die Verantwortung der Bundestagsabgeordneten appelliert. «Wir erleben eine historische Stunde für unser Land. Deutschland braucht jetzt ein Votum der Verantwortung», hatte der hessische CDU-Landeschef betont und für einen zweiten Wahlgang plädiert.
Claus: Lieber ein holpriger Start mit guter Regierung als umgekehrt
Hessens CDU-Fraktionschefin Ines Claus hatte kurz nach dem gescheiterten ersten Wahlgang erklärt: «Lieber ein holpriger Start mit positiver Entwicklung und guter Regierung, als ein glänzender Start wie bei der Ampel mit vorzeitigem Ende.»
Der Generalsekretär der CDU Hessen, Leopold Born, teilte mit: «Die Renaissance der Realpolitik startet mit der christlich-sozialen Koalition nach hessischem Vorbild nun endlich auch im Bund. Unter der Führung von Kanzler Merz wird Deutschland wieder sicherer, gerechter und wirtschaftlich stärker werden.»
Zunächst zu wenige Stimmen in geheimer Abstimmung
Merz war bei der Kanzlerwahl im Bundestag im ersten Wahlgang durchgefallen. Er erhielt in geheimer Abstimmung 310 von 621 abgegebenen Stimmen und damit 6 weniger als die nötige Mehrheit von 316. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im deutschen Parlament. Im zweiten Wahlgang kam der 69-Jährige auf 325 Ja-Stimmen und damit 9 mehr als die nötige Mehrheit. In Hessen regiert bereits Schwarz-Rot.
SPD: Hessen zeigt, wie man gemeinsam Politik macht
Es sei gut, dass der zweite Wahlgang ein eindeutiges Ergebnis ergeben habe, erklärte Hessens Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident Kaweh Mansoori (SPD). «Unsere Demokratie erlebt gerade eine schwere Zeit. Taktische Spielchen verbieten sich.» Hessen zeige, wie man gemeinsam für die Menschen Politik machen könne. «Wir sind uns nicht in allem einig, aber finden für alles eine Lösung», erklärte Mansoori. «Am konstruktiven Miteinander und am verbindlichen Stil darf man sich in Berlin gern orientieren.»
Hessens Grüne urteilten nach dem verpatzten ersten Wahlgang: «Heute ist kein guter Tag für unser Land.» Der AfD-Fraktionschef im Landtag, Robert Lambrou, sprach von Führungsversagen und einem Misstrauensvotum. Der hessische FDP-Landeschef Thorsten Lieb bilanzierte: «Der Start in Friedrich Merz‘ Kanzlerschaft ist krachend gescheitert.»
Politologin: Auch SPD-Chef Klingbeil beschädigt
Die Gießener Politikwissenschaftlerin Dorothée de Nève sprach mit Blick auf Merz' Scheitern im ersten Wahlgang von «einem unmissverständlichen Warnsignal». Dies sei Ausdruck der Unzufriedenheit – «nicht nur bei einzelnen Abgeordneten, sondern auch in beiden potenziellen Regierungsparteien».
Das Vertrauen in Merz als Kanzler sei gering. Und es gebe von unterschiedlichen Seiten viel Kritik an den Inhalten des Koalitionsvertrages und dem Prozess der Regierungsbildung. Der gescheiterte erste Wahlgang habe auch den SPD-Chef und designierten Vizekanzler Lars Klingbeil beschädigt, sagte die Professorin.

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