Unklar war aber, wie viele Menschen tatsächlich am Sonntagnachmittag (ab 13.00 Uhr MESZ) zum Unabhängigkeitsplatz im Zentrum der Hauptstadt Minsk kommen werden. Die Sicherheitskräfte hatten damit gedroht, auch gewaltsam gegen Demonstranten vorzugehen. Für die Opposition sind die Proteste an den Sonntagen zu den wichtigsten in der Woche geworden. Vor einer Woche beteiligten sich Hunderttausende an den Aktionen.
Auch am Samstag gab es landesweit Proteste. In Minsk zogen Tausende Frauen durch die Stadt. Die Sonderpolizei versuchte, den Marsch in Richtung Zentrum aufzuhalten und die Teilnehmer zu zerstreuen. Wie auf Videos und Fotos zu sehen war, gelang es den Frauen aber gelegentlich, durch die Absperrungen der Sicherheitskräfte mit ihren schwarzen Gesichtsmasken zu gelangen. Vereinzelt gab es Festnahmen, zumeist betraf es Männer. Genaue Zahlen lagen zunächst nicht vor.
Frauen nehmen besondere Stellung in der Demokratiebewegung ein
Frauen nehmen in der Demokratiebewegung in dem zwischen Russland und Polen gelegenen Land eine herausragende Stellung ein. An deren Spitze steht die Aktivistin Swetlana Tichanowskaja, die bei der umstrittenen Präsidentenwahl vor drei Wochen gegen Alexander Lukaschenko angetreten war. Der Präsident beansprucht den Sieg mit 80,1 Prozent für sich. Die Opposition hält dagegen Tichanowskaja für die wahre Siegerin.
Die 37-Jährige sagte in ihrem Exil im EU-Land Litauen, dass es das Ziel der Proteste sei, die Freilassung von Gefangenen zu erreichen, die Polizeigewalt strafrechtlich verfolgen zu lassen und Neuwahlen zu erwirken. Lukaschenko selbst hatte mit dem Einsatz der Armee gedroht, um sich eine sechste Amtszeit nach 26 Jahren an der Macht zu sichern.
Zugeständnisse an seine Gegner lehnte er immer wieder ab. Er hatte die Demonstrierenden aller Altersklassen und Schichten als "Ratten" bezeichnet. Seit Kremlchef Wladimir Putin ihm seine Unterstützung - notfalls auch mit Truppen - zugesichert hat, sieht sich Lukaschenko wieder fest im Sattel. Zuletzt ging die Staatsführung auch gegen Journalisten vor - wohl um eine Berichterstattung über die seit der Wahl andauernden Proteste zu unterbinden.
ARD-Kamerateam festgehalten, viele Medienschaffende ausgewiesen
Betroffen davon war nach Angaben des WDR auch ein ARD-Kamerateam, das in der Nacht zum Samstag in einer Polizeistation festgehalten wurde. Es kam am Samstagvormittag wieder frei. Die Akkreditierungen wurden entzogen. Journalistenverbände kritisierten den massenhaften Entzug der Arbeitserlaubnis für Medienvertreter und riefen die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Viele Medienschaffende wurden bereits aus der früheren Sowjetrepublik ausgewiesen.
Außenminister Heiko Maas sagte: "Wenn Journalistinnen und Journalisten willkürlich und ohne jede Rechtsgrundlage festgesetzt und durch den Entzug ihrer Arbeitserlaubnis an ihrer wichtigen Arbeit gehindert werden, dann ist das überhaupt nicht akzeptabel." Unabhängige Berichterstattung müsse umfassend gewährleistet werden. "Dazu hat sich Belarus auch international verpflichtet." Aus Diplomatenkreisen hieß es, dass der belarussische Botschafter in Berlin zeitnah ins Auswärtige Amt einbestellt werde.
Lukanschenko hat am Sonntag Geburtstag
Lukaschenko, der auch als "letzter Diktator Europas" verschrien ist, wird an diesem Sonntag 66 Jahre alt. Offiziell feiern will er seinen Geburtstag erst am Montag gemeinsam mit seinem dann 16 Jahre alten Sohn, der immer wieder mit ihm in der Öffentlichkeit auftritt.