Immer wieder müssen in Hessen Brücken wegen Einsturzgefahr von heute auf morgen gesperrt werden. Zuletzt traf es die Menschen im Odenwald - betroffen ist nicht nur eine Straße, sondern auch die darunter verlaufende Bahnstrecke.
Da liegt die Frage nahe: Bei wie vielen Brücken droht dieses Szenario noch? Wie steht es um den Zustand der Brücken in Hessen? Die Antwort kommt nicht aus einer Hand, denn für Autobahnbrücken ist der Bund zuständig, für Bundes-, Landes- und Kreisstraßen das Land und für Eisenbahnbrücken die Deutsche Bahn.
Hessens Autobahnbrücken
Die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken hat exklusiv für die Deutsche Presse-Agentur die jüngsten Tabellen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ausgewertet. Hessen ist demnach - nach Nordrhein-Westfalen - das Bundesland mit der zweithöchsten Anzahl an schlecht bewerteten Autobahnbrücken, über die Verkehr fließt und die mindestens 50 Meter lang sind.
In Hessen stehen demnach 19 Brückenbauwerke diese Kategorie, die Fachleute mit den Zustandsnoten 3,3 oder schlechter bewerten. In NRW sind es 21.
Das Bundesamt unterscheidet sechs Notenbereiche, je nach akuten Schäden und Abnutzungserscheinungen. 3,5 bis 4,0 ist der schlechteste Bereich, er bedeutet einen ungenügenden Zustand. Der Bereich zwischen 3,0 und 3,4 steht für einen nicht ausreichenden Zustand.
Unter den elf Autobahnbrücken in Hessen mit der Note 3,5 sind die Lemptalbrücke bei Ehringshausen und die Talbrücke Bechlingen bei Aßlar (beide im Lahn-Dill-Kreis), die Thalaubachtalbrücke bei Thalau und die Talbrücke Welkers bei Eichenzell (beide Kreis Fulda). Schlecht bewertet sind oft auch Brücken an Anschlussstellen und Kreuzen.
Hessens Bundes-, Landes- und Kreisstraßen
Generell sei der Zustand von Brücken, die zu Bundes-, Landes- und Kreisstraßen in Hessen gehören, «als gut zu bezeichnen», teilt eine Sprecherin des Verkehrsministeriums in Wiesbaden mit.
In Hessen gibt es demnach derzeit rund 5.400 derartige Brückenteilbauwerke. 235 davon müssen kurz- bis mittelfristig instand gesetzt werden - mitgerechnet wurden auch kleinere Arbeiten wie der Austausch von Geländern.
94 der zu reparierenden Brücken gehören zu Bundesstraßen, 92 zu Landesstraßen und 49 zu Kreisstraßen. Hinzu kommen zwölf Maßnahmen zur Verstärkung von Brücken, bei denen es statistische Probleme gibt.
Hessens Eisenbahnbrücken
Die Bahn investiert viel Geld in ihre Brücken, wie das Unternehmen berichtet. Auch künftig seien hohe Investitionen geplant, denn der technische Erneuerungsbedarf sei hoch. Alle insgesamt 2.122 Eisenbahnbrücken in Hessen würden regelmäßig begutachtet.
Dies gilt auch für die bundesweit zweitälteste Eisenbahnbrücke aus dem Jahr 1839, die Eisenbahnbrücke Nied, die in Frankfurt die Nidda überquert. Sie wurde zuletzt 2008 saniert. Manchmal müssen Brücken aber ganz abgerissen und neu aufgebaut werden, wie etwa Ende 2023 in Kassel, wo zwei Bauwerke aus dem 19. Jahrhundert ersetzt wurden.
Ähnliches ist in den kommenden Jahren im Fall der Deutschherrnbrücke in Frankfurt geplant. Hier soll zunächst neben der alten eine neue Brücke über den Main errichtet werden, um den Zugverkehr möglichst wenig zu stören.
Das jüngste Beispiel
Die Talbrücke bei Zell, einem Ortsteil von Bad König, wurde Ende April nach einer Brückensonderprüfung in beide Fahrtrichtungen gesperrt. «Auf Grund der weiteren Untersuchungen zur Statik des Brückenbauwerks ist mittlerweile klar, dass die Brücke abgerissen werden muss», teilte die Autobahn GmbH mit.
Inzwischen dürfen «wegen akuter Einsturzgefahr» auch Züge der Odenwaldbahn nicht mehr unter der Brücke durchfahren, wie der Betreiber Vias Mitte Mai mitteilte. Zwischen dem Groß-Umstädter Ortsteil Wiebelsbach und Erbach fahren bis auf absehbare Zeit Busse.
Autos und Lkw müssen eine 20 Kilometer lange Umleitung fahren - wenn sie sich an die Beschilderung halten. Denn viele kürzen durch Zell ab. Die Menschen vor Ort sind empört. «Das kann noch Jahre dauern», sagte eine Anwohnerin dem Hessischen Rundfunk. «Aber wir drehen jetzt schon durch.»
Das schlimmste Beispiel
Den Menschen in und um Wiesbaden kommt das bekannt vor: 2021 fielen Betonbrocken von der Salzbachtalbrücke auf die darunter führende Bundesstraße. Die Brücke - Teil der A 66 zwischen dem Rheingau und Frankfurt mit täglich rund 80.000 Fahrzeugen - wurde gesperrt, ebenso wie die darunter verlaufenden Straßen und Eisenbahnstrecken. Die Landeshauptstadt Wiesbaden war quasi von der Außenwelt abgeschnitten.

Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden