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Gletschersturz begräbt Dorf in der Schweiz – Flutwelle droht

Unglück in den Alpen

Nach Gletschersturz: Schweizer Dorf droht neue Gefahr

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    Ein großer Teil des Dorfes Blatten im Lötschental im Kanton Wallis wurde unter Massen von Eis, Schlamm und Felsen begraben. Nun staut sich das Wasser.
    Ein großer Teil des Dorfes Blatten im Lötschental im Kanton Wallis wurde unter Massen von Eis, Schlamm und Felsen begraben. Nun staut sich das Wasser. Foto: Jean-Christophe Bott, Keystone/dpa

    Im Schweizer Lötschental steigt das Wasser hinter dem gigantischen Schuttkegel durch den Gletscherabbruch unaufhörlich. Die Lage ist bedrohlich, die Kante des meterhohen Eis-, Fels- und Geröllbergs ist fast erreicht, heißt es vom Katastrophenstab. Die Behörden rechnen stündlich damit, dass das Wasser des Flusses Lonza sich einen Weg Richtung Tal bahnt.

    Zwei Gemeinden weiter unten sind Bewohner aufgerufen, das Nötigste zu packen. „Wir fordern die Bewohner auf, persönliche Vorbereitungen zu treffen, um innert möglichst kurzer Zeit die Wohnungen verlassen zu können“, teilen die Gemeinden Steg-Hohtenn und Gampel-Bratsch auf ihrer Webseite mit. Die Menschen sollen bei einer Flutwelle oder Gerölllawine innerhalb kürzester Zeit zur Flucht bereit sein. Sie werden unter anderem über die Notfall-App Alertswiss auf dem Laufenden gehalten.

    Die Luftaufnahme vom Tag nach der Lawine zeigt einen See und die Zerstörung, die sie anrichtete, als sie auf den Talboden beim Dorf Blatten niederging.
    Die Luftaufnahme vom Tag nach der Lawine zeigt einen See und die Zerstörung, die sie anrichtete, als sie auf den Talboden beim Dorf Blatten niederging. Foto: Jean-Christophe Bott, Keystone/dpa

    Mit Blick auf den Schuttkegel sagte der Sprecher des Regionalen Führungsstabs im Lötschental, Matthias Ebener, der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Zurzeit ist unbekannt, ob das Wasser durchfließt oder aufgesogen wird.“ Noch sei das Wasser nicht über den Schuttkegel geschwappt. „Es sind Experten vor Ort, die die Lage immer beobachten.“

    Vorsichtiger Optimismus bei bedrohten Gemeinden in der Schweiz

    Betroffen sind die Gemeinden Gampel und Steg rund 20 Kilometer unterhalb des verschütteten Dorfes Blatten. Insgesamt wohnen in dem Gebiet mehr als 2.000 Menschen, aber der Aufruf gilt nur für die Ortsteile am Talgrund, wie die Gemeinden mitteilen. In der Nähe fließt die Lonza in die Rhone. Oberhalb von Gampel und Steg ist bei Ferden ein Staudamm und Auffangbecken. Dort wurde bereits Wasser abgelassen, aber ob das Becken die ganzen Wassermassen auffangen kann, ist unklar.

    Der Kantonsgeologe Raphaël Mayoraz äußerte sich nun vorsichtig optimistisch, dass das Schlimmste doch nicht eintrifft. Dem französischsprachigen Sender RTS sagte er: „Das Wasser beginnt sich seinen Weg durch die 2,5 Kilometer lange (Schutt-) Ablagerung zu bahnen. Mit fortschreitender Zeit reduziert sich langsam aber sicher das Risiko eines Katastrophenszenarios.“

    Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren des Kantons Wallis beschrieb am Donnerstagabend im Schweizer Fernsehen, wie ein solches Szenario aussehen könnte. „Das ‚worst case‘-Szenario ist, dass plötzlich entgegen den aktuell als eher realistisch eingeschätzten Szenarien viel mehr Wasser und Geschiebe kommt, das das Staubecken Ferden nicht mehr zu schlucken vermag.“

    Flutwelle oder Gerölllawine: Welche Gefahren nach dem Gletschersturz im Wallis noch bestehen

    Denkbar ist nach Expertenangaben, dass das Wasser sich einen Weg durch den Schuttberg bahnt, wieder in das Flussbett der Lonza kommt und gemächlich Richtung Tal fließt. Weil der Schuttberg aber sehr instabil ist, können Experten nicht ausschließen, dass das Wasser sich plötzlich einen breiteren Canyon bahnt und nach unten schießt. Ebenso ist möglich, dass dabei Geröll- und Gesteinsmassen mitgerissen werden.

    Wegen der Gefahrenlage war das Dorf Blatten in der Ferienregion Lötschental bereits am 22. Mai kurzfristig ganz geräumt worden.
    Wegen der Gefahrenlage war das Dorf Blatten in der Ferienregion Lötschental bereits am 22. Mai kurzfristig ganz geräumt worden. Foto: Jean-Christophe Bott, Keystone/dpa

    Das Katastrophengebiet liegt im oberen Lötschental auf rund 1.500 Metern. Oberhalb ist instabiler Fels seit rund zwei Wochen abgebröckelt. Weil immer mehr Felsbrocken und Geröll auf den Birschgletscher donnerten, brach dieser am Mittwochnachmittag ab und stürzte samt Geröll und Steinen ins Tal.

    Das Dorf Blatten ist fast völlig unter meterhohem Schutt verschwunden. Die meisten der wenigen Häuser, die verschont blieben, sind inzwischen durch die aufgestaute Wasser der Lonza überflutet. Die rund 300 Einwohner von Blatten waren vergangene Woche in Sicherheit gebracht worden. Ein Einheimischer, der sich am Mittwoch im Katastrophengebiet aufhielt, wird noch vermisst.

    Eis und Geröll haben das Tal erreicht.
    Eis und Geröll haben das Tal erreicht. Foto: Jean-Christophe Bott, Keystone/dpa

    Eingreifen unmöglich: Menschen müssen warten, wie sich die Lage entwickelt

    Bewohner und Behörden sind zum Abwarten verdammt. Es besteht keine Möglichkeit, den Abfluss etwa durch das Fräsen einer Rinne in den Schuttberg in geordnete Bahnen zu lenken. Dafür ist das Gelände zu instabil. Menschen und Maschinen könnten einbrechen. „Unternehmen können wir leider wenig, weil die Sicherheitslage vor Ort es nicht zulässt, dass wir mit schweren Maschinen eingreifen können“, sagte Studer. Die Armee steht aber bereit, sobald es die Lage zulässt, mit Räumungsarbeiten zu beginnen.

    Zudem drohen weitere Felsabbrüche. An der ursprünglichen Abbruchstelle am Kleinen Nesthorn können immer noch mehrere hunderttausend Kubikmeter Gestein abstürzen. Zudem wurden bei dem Gletscherabbruch am Mittwoch Geröll und Schuttmassen über den Talboden hinweg und auf der gegenüberliegenden Hangseite hochgeschoben. Auch sie könnten als Gerölllawine wieder abrutschen. (dpa)

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