Die russische Justiz macht dem nach Moskau zurückgekehrten Kremlgegner Alexej Nawalny direkt in einer Polizeistation einen Eilprozess. Nach seiner Rückkehr von Berlin nach Moskau hatte von dem 44-Jährigen seit Sonntag zunächst jede Spur gefehlt. Am Montag fand er sich plötzlich vor einem Gericht in einem Polizeigebäude wieder. Juristen kritisierten das als beispiellos - selbst für russische Verhältnisse. In einem Video bei Twitter beklagte Nawalny, dass die Justiz in Russland eine neue Stufe der "Gesetzlosigkeit" erreicht habe.
"Ich habe oft gesehen, wie der Rechtsstaat ins Lächerliche gezogen wird, aber dieser Opi in seinem Bunker fürchtet sich inzwischen so sehr (...), dass nun einfach der Strafprozesskodex zerrissen und auf die Müllhalde geworfen wird", sagte Nawalny in dem improvisierten Gerichtszimmer. Mit "Opi in seinem Bunker" meint Nawalny den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Es ist unmöglich, was hier passiert."
Nawalnys Anwälte hatten offenbar ein Schreiben über den Beginn einer Gerichtsverhandlung im Polizeigebäude erhalten, die dann eröffnet wurde, ohne dass jemand sich hätte vorbereiten können. Zuvor hatten Nawalnys Anwälte und Mitarbeiter erklärt, dass von dem Oppositionellen jede Spur fehle.
Anschlag mit Nervengas im August
Nawalny war im August in Russland Opfer eines Anschlags mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift Nowitschok geworden und anschließend in Deutschland behandelt worden. Am Sonntag kehrte er nach Russland zurück und wurde gleich nach seiner Landung festgenommen. Die Justiz hatte ihn zur Fahndung ausgeschrieben. Der Kremlkritiker soll während seines Aufenthalts in Deutschland gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben. Konkret wirft der Strafvollzug ihm vor, gegen Meldeauflagen verstoßen zu haben.
Die Behörden wollen die Bewährungsstrafe nachträglich in echte Haft umwandeln lassen. Nawalny kritisiert das Vorgehen gegen ihn als politisch motiviert.