Die neue Corona-Variante Omikron hält derzeit die Welt in Atem: Auch in Deutschland blicken viele Menschen gespannt auf Südafrika und Großbritannien. In beiden Ländern schossen die Infektionszahlen in den vergangenen Wochen nach oben - was darauf hindeutet, dass sich Omikron viel schneller verbreitet als die Delta-Variante. Die entscheidende Frage ist allerdings noch unbeantwortet: Wie gefährlich ist Omikron im Vergleich zu seinem Vorgänger?
Studie aus Südafrika: Eher milderer Krankheitsverlauf bei Omikron
Eine neue Studie macht nun Hoffnung: Sie zeigt einen eher milden Krankheitsverlauf bei Infektionen mit Omikron in Südafrika. Die Autoren hatten Daten von Infizierten von Anfang Oktober bis Ende November ausgewertet. Daraus ergibt sich ihren Worten zufolge bei Omikron ein bis zu 80 Prozent geringeres Risiko, zur Behandlung ins Krankenhaus zu müssen als bei Delta. Waren die Patienten einmal in der Klinik, gab es jedoch keinen Unterschied im weiteren Verlauf.
Forscher aus Großbritannien kommen zu ähnlichen Ergebnissen
Ein Forscherteam aus Großbritannien war in Laborversuchen zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Die Autoren generierten sogenannte Pseudoviren, die auf ihrer Oberfläche das Omikron-Spike-Protein tragen. Im Vergleich zu dem Delta-Pseudovirus konnte das Omikron-Pseudovirus Lungenzellen schlechter infizieren. Die Forscher interpretieren ihre Daten so, dass Omikron aufgrund der vielen Mutationen im Spike-Protein zwar einer bestehenden Immunantwort teilweise entkommen könne, die Virusvariante aber Zellen nicht so gut infizieren und sich ausbreiten könne. Inwieweit die Ergebnisse auf das reale Leben übertragbar sind, sei jedoch unklar.
Zweite Studie aus Großbritannien: Omikron führt seltener zu Krankenhauseinweisungen
Eine weitere Studie aus Großbritannien legt ebenfalls nahe, dass Omikron seltener zu Krankenhauseinweisungen führt. Forscher des Imperial College in London - darunter Professor Neil Ferguson - hatten dazu die Daten aller Corona-Fälle in England in den ersten beiden Dezemberwochen verglichen, bei denen mit einem speziellem Verfahren Delta und Omikron unterschieden werden konnte. Das waren mehrere Hunderttausend Menschen. Der Schätzung zufolge ist das Risiko eines Krankenhausaufenthalts von mindestens einem Tag bei Omikron-Infektionen im Schnitt um etwa 40 Prozent reduziert im Vergleich zu Delta-Infektionen. (Lesen Sie auch: Wie gut wirkt die neue Pille Paxlovid gegen Corona?)
Die Forscher des Imperial College gaben aber zu bedenken, dass auf das ganze Land gesehen der Effekt teilweise aufgehoben werde durch die höhere Übertragbarkeit der Omikron-Variante. Zudem seien sowohl in Südafrika als auch in Großbritannien große Teile der Bevölkerung durch frühere Wellen bereits mit anderen Corona-Varianten infiziert worden und hätten damit auch gegen Omikron eine gewisse Immunität erworben. Auch dieser Report ist noch nicht von unabhängigen Experten begutachtet und in einem Fachjournal veröffentlicht worden.
Virologe Drosten: Wegweisende Studie
Zu der Studie des Imperial College in London schrieb Christian Drosten auf Twitter: "Wegweisende Studie von Neil Ferguson zu Omikron. Ungeimpfte haben bei Infektion mit Omikron vs. Delta ca. 24% weniger Risiko einer Krh-Aufnahme. Omikron ist also gegenüber Delta etwas abgeschwächt. Etwas. Unterschied bei schweren Verläufen weiter unklar", so der Virologe der Berliner Chartié.
Virologe Streeck: Anlass zur Hoffnung
Hendrik Streeck, Virologe am Uniklinikum Bonn und Mitglied des Expertenrats von Kanzler Olaf Scholz, sagte gegenüber Bild: „Die Studien-Ergebnisse aus England und Südafrika sollten wir noch mit Vorsicht betrachten. Dennoch geben sie Anlass zur Hoffnung: Wenn es sich bestätigt, dass die Gefährlichkeit des Virus mit der Omikron-Variante sowohl bei Geimpften als auch bei Ungeimpften abschwächt, ist das eine sehr gute Nachricht.“
Auch Virologe Streeck äußerte sich zu den Daten des Imperial College in London auf Twitter: "Weitere Daten aus England deuten auf weniger Hospitalisierungen mit Omikron-Infektion im Vergleich zu Delta hin und zeigen ähnliches Bild wie Berichte aus Südafrika."
Forscher warnen vor übertriebenem Optimismus
Alle drei Studien wurden allerdings noch nicht von unabhängiger Stelle unter die Lupe genommen. Forscher mahnten zudem vor voreiligen Schlüssen: "Aktuell erscheinen mir die Daten zur Krankheitsschwere von Omikron noch etwas zu dünn, um daraus allgemeingültige Aussagen zu treffen", sagte die Infektiologin Isabella Eckerle von der Universität Genf.
"Die sehr ermutigenden Daten deuten stark auf eine geringere Schwere der Omikron-Infektionswelle hin", sagte Cheryl Cohen von Südafrikas Nationalem Institut für übertragbare Krankheiten (NICD). Sie warnte jedoch, dass es sich noch um frühe Daten handelt und weitere Studien nötig seien. (Lesen Sie auch: RKI gibt ersten Todesfall durch Omikron bekannt)
"Keine voreiligen Schlüsse aus Untersuchung ziehen"
Auch Eckerle mahnte, keine voreiligen Schlüsse aus der Untersuchung zu ziehen. "Man muss auch bedenken, dass Südafrika eine junge Population hat, in den vorherigen Wellen bereits eine starke Übersterblichkeit entstand und die berichteten Fälle vor allem junge Menschen mit Impfdurchbrüchen waren", sagte sie. "Auch zirkulierte in Südafrika vermehrt die Beta-Variante, so dass wahrscheinlich ein anderer immunologischer Hintergrund herrscht als bei uns."
Ähnlich äußerte sich Björn Meyer, Leiter der Arbeitsgruppen Virusevolution der Universität Magdeburg. Es gebe große Unterschiede zwischen Südafrika und Deutschland. Südafrika habe viele schwere Wellen erlebt, die Bevölkerung sei im Durchschnitt sehr viel jünger. "Es bleibt somit abzuwarten."

Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, sagte dem Nachrichtensender Welt: Wenn sich die britischen Zahlen bestätigen ließen, sei das ein Hoffnungsschimmer aber "überhaupt keine Entwarnung". Selbst bei einem milderen Verlauf werden durch die erwartet hohen Ansteckungszahlen Belastungen des Gesundheitssystems und von wichtigen Bereichen der Infrastruktur befürchtet, weil viele Beschäftigte wegen einer Infektion und Quarantäneanordnungen ausfallen könnten.
Weltweit tauchen immer mehr Hinweise auf
Aber auch wenn weiter unklar ist, wie gefährlich Omikron wirklich ist: Auf der ganzen Welt tauchen immer mehr Hinweise auf, dass die neue Corona-Variante wohl für mildere Krankheitsverläufe sorgt. Wie etwa in New South Wales in Australien, wie Virologe Drosten twittert: "In NSW/Australien sind fast 95% der Erwachsenen doppelt geimpft. Hier reduziert Omikron gegenüber Delta die Quote der Krankenhaus-Aufnahmen um mehr als die Hälfte. Klar, man muss immer dazu sagen: Ein schneller Inzidenzanstieg macht den Effekt zunichte. Aber dennoch erfreulich!"
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