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Prozesse: Falsche Narkoseärztin zu 15 Jahren Haft verurteilt

Prozesse

Falsche Narkoseärztin zu 15 Jahren Haft verurteilt

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    Vor drei Jahren hatte das Landgericht die heute 54-Jährige unter anderem wegen dreifachen Mordes und versuchten Mordes in zehn Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt.
    Vor drei Jahren hatte das Landgericht die heute 54-Jährige unter anderem wegen dreifachen Mordes und versuchten Mordes in zehn Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt. Foto: Nicole Schippers/dpa

    Sie arbeitete als Anästhesistin, obwohl sie keine war - und verursachte durch Behandlungsfehler den Tod von drei Patienten. Das Landgericht Kassel hat eine 54-Jährige wegen Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen und gefährlicher Körperverletzung in zehn Fällen in einem Revisionsprozess zu 15 Jahren Haft verurteilt. Damit fällt das Urteil deutlich milder aus als in ihrem ersten Prozess.

    Im Mai 2022 hatte das Landgericht die heute 54-Jährige unter anderem wegen dreifachen Mordes und versuchten Mordes in zehn Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil dann aber teilweise auf und verwies den Fall zur Neuverhandlung an das Kasseler Landgericht zurück.

    Gefälschte Approbationsurkunde

    Die Verurteilte hatte sich mit einer gefälschten Approbationsurkunde eine Anstellung als Narkoseärztin in einem Hospital in Fritzlar (Schwalm-Eder-Kreis) erschlichen. Dort war sie seit 2015 als Assistenzärztin in der Anästhesie tätig.

    2018 wechselte sie in den Reha-Bereich einer Klinik in Schleswig-Holstein - laut Ermittlern ebenfalls wieder unter falschen Angaben. Doch beim Wechsel der Ärztekammer wurden Unstimmigkeiten in ihren Unterlagen entdeckt.

    Ihr Werdegang ist verschlungen: Mal studierte sie Biologie, mal Zahnmedizin. Sie absolvierte eine Heilpraktikerprüfung sowie zahlreiche Praktika. Abschluss und Promotion erfolgten schließlich in Biologie. Der Doktorgrad wurde ihr von der Uni Kassel allerdings wegen eines Plagiats wieder entzogen. Einen zweiten Doktortitel soll sie im Internet gekauft haben. Eine abgeschlossene Ausbildung als Ärztin hat die 54-Jährige nicht.

    Die Frau zeigte sich schließlich wegen Anstellungsbetrugs selbst an, die Ärztekammer Hessen und ihr früherer Arbeitgeber ebenfalls.

    Die 6. Große Strafkammer des Kasseler Landgerichts sah es im ersten Prozess als erwiesen an, dass durch Behandlungsfehler der 54-Jährigen drei Patienten gestorben waren und andere schwere Schäden davon getragen hatten. Die Kammer stellte auch die besondere Schwere der Schuld fest. Damit wäre eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen gewesen.

    BGH hob erstes Urteil in Teilen auf

    Gegen das Urteil aber hatte die Frau erfolgreich Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob die Entscheidung teilweise auf, unter anderem weil er den Tötungsvorsatz nicht ausreichend begründet sah, und verwies den Fall zur Neuverhandlung an das Kasseler Landgericht zurück.

    Die 10. Große Strafkammer des Landgerichts folgte nun mit ihrem Urteil den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Die Nebenklage hatte dagegen beantragt, die 54-Jährige wegen Mordes erneut zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen und die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Ihre Verteidiger hatten für eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben bis acht Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung beziehungsweise acht Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge plädiert.

    Gericht: Tötungsvorsatz nicht feststellbar

    In der Gesamtschau sei ein bedingter Tötungsvorsatz nicht feststellbar gewesen, erklärte am Mittwoch der Vorsitzende Richter Christian Geisler. Zeugen hätten die 54-Jährige zwar teilweise als unsichere Assistenzärztin beschrieben, aber sie habe keine massive Kritik erfahren. Sie habe hundertfach Narkosen durchgeführt, ohne dass ihr Komplikationen während ihrer Tätigkeit nachhaltig zugeschrieben worden seien.

    Das Gericht könne daher nicht ausschließen, dass die Angeklagte den berechtigten Anlass hatte, anzunehmen, dass es nicht zu Todesfällen kommen werde, die ihr zugerechnet werden könnten. Entscheidend sei auch die Persönlichkeit der Frau. Laut Sachverständigen liegt bei ihr eine narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung vor. Dazu gehöre ein überhöhtes Selbstwertgefühl, ein Gefühl der Großartigkeit. Vor diesem Hintergrund sei es naheliegend, dass sie tatsächlich der Meinung gewesen sei, sich auch ohne Studium und Approbation die Fähigkeiten als Anästhesistin selbst beibringen zu können.

    «Wir müssen davon ausgehen, dass sie die konkrete Situation verkannt hat, zumindest auch in ihrer Tragweite verkannt hat», sagte Geisler. Es spreche nichts für ein bewusstes Unterlassen bei auftretenden Komplikationen. «Wir kommen dann bei allen Fällen dazu, dass wir einen Tötungsvorsatz mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nicht feststellen können.» Die Gesamtschau sei entscheidend.

    Angeklagte zeigte Reue

    In ihrem letzten Wort vor Gericht hatte die Frau am Montag ihr Bedauern ausgedrückt. Sie bereue jede Sekunde, sagte die 54-Jährige. «Aber die Zeit lässt sich nicht umdrehen. Daher bleibt mir nur eins: mich für die weiteren Umstände von tiefstem Herzen und aufrichtig zu entschuldigen.» Den Ausführungen des Richters folgte sie reglos und mit gesenktem Kopf.

    Das neue Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

    Anlässlich des Falls bekräftigte die Deutsche Stiftung Patientenschutz ihre Forderung nach einer Reform des bisherigen Kontrollsystems: «Um es Kriminellen von Anfang an schwer zu machen, müssen die Prüfungsämter mit einbezogen werden», forderte Vorstand Eugen Brysch. «Vor Ausstellung der Approbation haben sie die Echtheit der Staatsexamen zu bestätigen.» Zudem brauche es ein Zentralregister bei der Bundesärztekammer und eine Pflicht für Krankenhausträger, dort die Zulassungen von Ärzten abzufragen.

    Die Angeklagte hat in dem Revisionsprozess eine mildere Strafe bekommen. (Archivbild)
    Die Angeklagte hat in dem Revisionsprozess eine mildere Strafe bekommen. (Archivbild) Foto: Nicole Schippers/dpa
    Die Angeklagte hatte sich mit einer gefälschten Approbationsurkunde eine Stelle als Narkoseärztin erschwindelt.
    Die Angeklagte hatte sich mit einer gefälschten Approbationsurkunde eine Stelle als Narkoseärztin erschwindelt. Foto: Nicole Schippers/dpa
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