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Schwedens Ministerpräsident Löfven tritt ab – gibt aber nicht auf

Politische Krise

Schwedens Ministerpräsident Löfven tritt ab – gibt aber nicht auf

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    Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven tritt nach dem Votum vor die Presse.
    Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven tritt nach dem Votum vor die Presse. Foto: Anders Wiklund, dpa

    Der Mann mit dem Sitzfleisch tritt nach Schwedens feuchtfröhlichen Mittsommerfeierlichkeiten am Wochenende ab. Eine Woche nach dem von Linkspartei und Rechtsaußen initiierten erfolgreichen Misstrauensvotum hat der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven am Montag seinen Rücktritt eingereicht. Erst mal. „Ich stehe weiter zur Führung einer Regierung zur Verfügung, die vom Reichstag toleriert wird“, fügte er direkt an. Und etwas hochtrabend: „Ich bin bereit, die Verantwortung auf meine Schultern zulasten, zusammen mit anderen konstruktiven Kräften, um unser Land vorwärts zu bringen“.

    Neuwahlen im September, ein Jahr vor den nicht verschiebbaren ordinären Parlamentswahlen 2022, mitten in der Pandemie, sei keine gute Lösung für Schweden, warnte er. „Wir befinden uns in einer sehr schweren politischen und parlamentarischen Lage“, so Löfven. Solange keine tragfähige Regierung gefunden wird, bleibt Löfvens Regierung provisorisch im Amt. Muss aber Zurückhaltung üben.

    Nach den Wahlen im September 2018 dauerte es 134 Tage, bis die sogenannte Januarabsprache zwischen Rotgrün und weiteren Parteien zustande kam. Nun muss Parlamentssprecher Andreas Norlén wieder schlichten.

    Löfvens rotegrüne Minderheitsregierung wurde vom rechtsliberalen Zentrum, den Liberalen und der Linkspartei gestützt

    Mit allen Parteien wird er Gespräche führen. Insgesamt vier Chancen hat er, neue Regierungen vorzuschlagen. Über vier Monate werde es dieses Mal nicht dauern, verspricht er aber. „Wir haben viel mehr Erfahrungen als damals“, sagt er. Die Rechtspopulisten hatten das traditionelle Gefüge durch ihren kräftigen Stimmenzuwachs (fast 6 Prozenteinheiten auf 18 Prozent) durcheinandergebracht. Damals war es für Löfven eine Mammutaufgabe zwei eigentlich fest an das bürgerliche Lager gebundenen Parteien an sich zu binden. Das kostete ihn sehr viele Zusagen und die Vernachlässigung seiner traditionell verbündeten Linkspartei.

    Löfvens rotegrüne Minderheitsregierung (4,4 Prozent beziehungsweise 28,3 Prozent) wurde seitdem vom rechtsliberalen Zentrum (8,6) und den Liberale (5,5), als auch der Linkspartei (8 Prozent) gestützt. Zusammen hatten sie knapp 55 Prozent. Für Löfven war das ein Zukunftsmodell. Mit dem sollten die Rechtsextremen langfristig außen vorgehalten werden.

    Die fremdenfeindlichen Schwedendemokraten ermöglichten der Linkspartei das Misstrauensvotum

    Doch die Linkspartei konnte kaum Forderungen durchsetzen. Als Rot-Grün nun auch noch freie Marktmieten für Neubauwohnungen ohne sozialstaatliche Deckelung, gemäß Forderungen ihrer rechtsliberalen Stützparteien genehmigen wollte, riss der Faden zur Linkspartei ganz.

    Sie selbst ist zu klein, um ein Misstrauensvotum zu initiieren. Ausgerechnet die stimmenstarken, fremdenfeindlichen Schwedendemokraten (knapp 18 Prozent) griffen der Linkspartei dann brüderlich unter die Schultern und machten das Misstrauensvotum möglich. Konservativen (knapp 20 Prozent) und Christdemokraten (6,3 Prozent) hakten sich erfolgreich ein. Eine Woche wurde nun erfolglos nach Kooperationsformen herumgegrätscht. Die Linkspartei erfreute sich seit dem Bruch eines außerordentlichen Neumitgliederstrom von 1500 Personen.

    Löfven Regierung könnte doch noch gerettet werden

    Doch anscheinend ist die Linkspartei nun etwas reumütig geworden, über die Geister, die sie da aus der rechten Ecke rief. So bemüht sie sich inzwischen wieder zaghaft, Löfvens Regierung zu retten. Das Zentrum versuchte sie dabei, mit Verzicht auf Steuererhöhungen zu besänftigen. Auch das teils ländlich und sozial orientierte Zentrum deutete an, man könne vielleicht doch auf völlig freie Mietpreise bei Neubauten verzichten. Da machen die Löfven bisher ebenso stützenden Liberalen aber nicht mit. Gleichzeitig wurde das Zentrum von den Konservativen mit Herzensangelegenheiten, wie Verbesserungen für die vielen schwedischen Waldeigentümer geködert. Über die Hälfte Schwedens ist mit marktwirtschaftlich wertvollem Wald überzogen. Ein Hektor kostet bis zu 85.000 Kronen (8400 Euro).

    Doch das Zentrum will auch dem Konservativen-Chef Ulf Kristersson nicht folgen. Dessen einzige Möglichkeit Ministerpräsident zu werden, ist über seine angestrebte Tolerierung durch Rechtsaußen. Das lehnt das Zentrum ab. Es werde an keiner Regierung teilnehmen, an der Rechtsaußen Einfluss hat, so die Vorsitzende Annie Lööf. Auch persönlich hat sie etwas gegen Schwedendemokratenchef Jimmie Åkesson, wie Zuschauer immer wieder in Diskussionsrunden vor Augen geführt wird. Da fliegen (ziemlich ungewöhnlich für den sonst eher grauen schwedischen Politikerumgangston) die Fetzen. ÅkessonsÄußerungen reizen Lööf, die dann stets putenrot im Gesicht wird, bis zur Weißglut und zu einer sehr lauten Stimme.

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