Der Koalitionsvertrag steht, und es war eine schnelle Geburt. Nur einen knappen Monat brauchten FDP, Grüne und SPD, um die Grundlage für ihr künftiges Regierungshandeln auf die Beine zu stellen. Das ist kein Rekord, aber im Vergleich zur letzten Wahl, als sich der Gesamtprozess über 171 Tage hinzog, doch bemerkenswert.
Bei der schnellen Einigung hat geholfen, dass es keine Durchstechereien gab. Das ist, um hier mal mit der Legendenbildung aufzuräumen, kein Verdienst der Ampel-Parteien, sondern eine Selbstverständlichkeit. Von zukünftigen Regierungsmitgliedern muss erwartet werden, dass sie zunächst miteinander reden und sich verständigen, bevor sie an die Öffentlichkeit gehen. Es wird eine der spannenden Fragen der nächsten Monate sein, ob diese Disziplin anhält.
Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ist auch deshalb bemerkenswert, weil an ihrem Ende ein pfiffiger Vertrag steht. Er handelt in den Kapiteln nahezu alle wichtigen Themen ab, engt die künftige Arbeit aber auch nicht über das Notwendige hinaus ein. Corona hat gelehrt, dass es Dinge gibt, mit denen niemand gerechnet hat und die enorme politische Auswirkungen haben. Ein Koalitionsvertrag muss solch mögliche Entwicklungen mitdenken.
Koalitionsvertrag steht – Ampel-Parteien müssen nun zusammenhalten
Eine zu große Lücke haben die Koalitionäre in ihrem 177-seitigen Vertrag aber beim Geld gelassen. Die Belastungen für den künftigen Bundeshaushalt sind bekannt: Die Renten und Pensionen, das Gesundheitssystem, die Digitalisierung, die Infrastruktur, um nur die größten Baustellen zu nennen. Dazu gibt es im Vertrag zwar dezidierte Wünsche, aber eben keine konkreten Finanzierungsansätze.
Man werde „in nie dagewesenem Umfang zusätzliche Mittel“ für den Klimaschutz einsetzen müssen, heißt es. Gleichzeitig werden der Wirtschaft„hohe Investitionszusagen“ gemacht. Doch zu der Frage, wo das Geld dafür herkommen soll, heißt es lediglich: „Jetzt entschlossen den Umbau anzugehen, ist eine entscheidende Voraussetzung für langfristig tragfähige Staatsfinanzen.“ Dazu passt, dass das heikle Thema CO2-Besteuerung, sie treibt die Kosten für Benzin, Gas und Strom in die Höhe, praktisch ausgeklammert und auf EU-Ebene weggeschoben wurde.
Tricksereien wie die Schaffung von Sondervermögen – eine Art Schattenhaushalt, der neben dem eigentlichen Bundeshaushalt aufgebaut wird – waren auch unter der Regie von Bundesfinanzminister Olaf Scholz ein beliebtes Mittel. Es bleibt abzuwarten, ob Scholz als Kanzler an dieser Taktik festhält. Sollte er das tun, wäre hier schon der erste Konflikt in Sichtweite. Denn die FDP– die künftig den Finanzminister stellen soll – ist grundsätzlich eher gegen diese kreative Art der Buchführung.
SPD, Grüne und FPD: Erste Animositäten gibt es bereits
Was dieser Vertrag nicht regelt, sind die unterschiedlichen programmatischen Ansätze der Parteien. Bei den Inhalten lassen sich Schnittmengen finden, wo es eng wird, können in bewährter Manier Arbeitsgruppen eingerichtet werden. Wer jedoch nur mal einen Blick in die Grundsatzprogramme von FDP und Grünen wirft, der wird allein beim wichtigen Thema Klima unterschiedliche Positionen finden, die im Grundsatz viel weiter auseinanderliegen als beispielsweise die Frage, ob man nun ein Tempolimit auf Autobahnen einführt oder nicht.
Erste Animositäten gibt es bereits. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter war dem Vernehmen nach stinkesauer, dass er nicht Verkehrsminister werden kann. Dass dieses wichtige Ressort (plus Digitalisierung) an die FDP geht, dürfte darüber hinaus für viel Ärger in der Grünen-Partei sorgen.
Nicht die Abarbeitung des Koalitionsvertrages ist für Rot-Gelb-Grün deshalb die Herausforderung der nächsten vier Jahre. Es wird vielmehr darum gehen müssen, unterschiedliche Ansichten, verschiedene politische Sozialisierungen unter einen Hut zu bekommen. Bisher ist das der Ampel gut gelungen. Möge es so weitergehen.
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