Elektronisches Geld in Form von Kryptowährungen wie dem Bitcoin oder der weniger bekannten Alternative Tether gewinnen im Ukrainekrieg zunehmend an Beachtung. Westliche Politiker fürchten, dass Russland die Computer-basierten Währungen nutzen könnte, um Sanktionen zu umgehen, denn Kryptowährungen sind von Banken und kontrollierten Zahlungssystemen unabhängig. Mittlerweile verdichten sich Hinweise, dass dies auch passieren könnte.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete auf ihrer Onlineplattform kürzlich, dass die Vereinigten Arabischen Emirate der neue sichere Hafen für reiche Russen sein könnten, die ihr Geld in Kryptowährungen aus dem Land schaffen wollen. Die Agentur berichtet von reichen Russen und Belarussen, die ihr in Kryptogeld angelegtes Vermögen in die Emirate transferieren, um dort in Immobilien zu investieren. Der ukrainische Vizepremierminister Mychajlo Fedorov wollte Internet-Plattformen, auf denen man Kryptowährungen umtauschen kann, dazu bewegen, russische Nutzer zu blockieren. Viele Betreiber lehnten das bislang ab. Manche sperrten zumindest Konten von Russen, die auf Sanktionslisten stehen. Vergangene Woche gab die US-amerikanische Handelsplattform Coinbase bekannt, dass sie etwa 25.000 russische Accounts sperren werde.
Experte: Hürden für Russland, an den e-Yuan anzuschließen, sind hoch
Diese Entwicklungen zeigen: Kryptowährungen gewinnen in Kriegszeiten an Bedeutung. Können sie auch den Verlauf des Krieges beeinflussen? Kryptowährungsexperte und Regierungsberater Philipp Sandner hält den Einfluss zunächst für gering. „Kurzfristig sind die Ausweichmöglichkeiten in Richtung Krypto-Assets wie Bitcoin und Ethereum sowie e-Yuan noch eher theoretischer Natur.“ Mittelfristig könnte dies jedoch anders aussehen. Neben den Kryptowährungen, die unabhängig von staatlichen Finanz- und Zahlungssystemen sind, habe Moskau auch die Möglichkeit, sich China und damit dem e-Yuan anzuschließen – der neuen chinesischen Digitalwährung. So könne der Staat Russland das internationale Zahlungssystem Swift umgehen. Doch die Hürden, das auch zu tun, hält Sander für „hoch“.
Stablecoins als alternatives Wertaufbewahrungsmittel
Dies sehen auch andere Fachleute so: „Wenn man auf Staatsgröße geht, dann wird man auf den meisten Kryptobörsen gar nicht so viel Liquidität haben“, sagt der Mainzer Blockchainexperte und Unternehmer Maximilian Schmidt. Selbst wenn Staaten wie Russland versuchten, große Summen in Kryptowährungen wie den Bitcoin zu tauschen, bliebe vor allem ein Problem: die extremen Kursschwankungen der Digitalwährungen. Kurz nach der Ankündigung, russische Banken aus dem Swift-System auszuschließen, stieg der Bitcoin-Kurs stark an. „Ich denke, der Kurs ist deshalb stark gestiegen, weil viele reiche Russen in diese Währung gegangen sind“, sagt Schmidt. Noch viel stärker stieg laut der Nachrichtenagentur Reuters das Handelsvolumen von sogenannten Stablecoins. Deren Kurs schwankt weniger stark, da sie an den Wert einzelner Währungen wie des Dollar geknüpft sind. Stablecoins eignen sich damit viel besser als Wertaufbewahrungsmittel.
Beobachter sprechen in dem Zusammenhang bereits vom „digitalen Gold“, andere warnen vor hohen Risiken. Die US-Plattform Circle, die solche Stablecoins anbietet, hat sich inzwischen aus dem Russland-Geschäft verabschiedet, um sich neuen Sanktionsanordnungen zu beugen. „Ich glaube nicht, dass von solchen Sperrungen Nutzer betroffen sind, die dort große Summen geparkt hatten“, sagt Experte Schmidt. Wäre man ein Oligarch, würde man sein Digitalgeld wohl lieber selbst verwalten, als auf die Dienste eines US-Unternehmens zu vertrauen, das Vermögen einfach einfrieren kann. „Die meisten, die sich mit Krypto auskennen, würden ihr Geld nie auf so einer Börse lassen, die würden das auf ihrer eigenen digitalen Geldbörse speichern“, sagt Schmidt.
"Ein nie dagewesener Schritt"
Kryptowährungen generell zu verbieten sei dabei keine Lösung, sagt der Experte. „Es wäre das Gleiche, Gold zu verbieten oder Bargeld, weil damit Sanktionen umgangen werden“, so Schmidt. Für ihn wäre es mit solch einer Politik im Digitalzeitalter eine größere Bedrohung für die Demokratie, „ein Finanzsystem aufzubauen, in dem der Staat die Macht hat, alles zu kontrollieren und auch Menschen von dem System abzukapseln“.
Doch nicht nur Russland bedient sich im Krieg der Alternativwährungen, auch die Ukraine setzt darauf. Vizepremier Fedorov rief über Twitter bereits zum Spenden von Kryptowährungen auf. Tatsächlich sollen so innerhalb einer Woche 50 Millionen Dollar in die Kriegskasse geflossen sein, erklärte Fedorov. Die Firma Elliptic, die Krypto-Transaktionen analysiert, nennt das einen „nie da gewesenen Schritt“ und „die erste großangelegte Kryptospenden-Aktion zur Finanzierung einer Militärkampagne“. (mit dpa)
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