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Alkohol-Sucht in Deutschland: „Werbung müsste verboten werden“

Suchtproblem

WHO kritisiert deutsche Suchtpolitik: „Werbung auf Alkohol müsste verboten werden“

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    „Die Gesetze in Deutschland sind viel zu lasch“, sagt Rüdiger Krech, Direktor für Gesundheitsförderung bei der WHO. 
    „Die Gesetze in Deutschland sind viel zu lasch“, sagt Rüdiger Krech, Direktor für Gesundheitsförderung bei der WHO.  Foto: Robert Michael, dpa

    Jeden Tag sterben in Deutschland etwa 271 Menschen an den Folgen des Rauchens und zusätzlich 129 durch übermäßigen Alkoholkonsum. Pro Jahr sind das insgesamt fast 150.000 Tote. Das geht aus dem „Jahrbuch Sucht 2025“ hervor, das die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) am Donnerstag veröffentlicht hat. Die Forscher sprechen von „vermeidbaren Sterbefällen“. Denn die Deutschen trinken und rauchen übermäßig.

    Etwa jeder fünfte konsumiert zu viel Alkohol und fast jeder zehnte trinkt in riskanten Mengen, heißt es in dem Bericht. Auch Nikotinkonsum ist weiterhin verbreitet. Gut 30 Prozent der Bevölkerung rauchen. Und das hat Folgen. Nicht nur für die Konsumierenden und deren Angehörige. Sondern auch für die Volkswirtschaft. Jedes Jahr entstehen durch Alkoholkonsum fast 60 Milliarden Euro ökonomischer Folgekosten. Beim Tabakkonsum sind es fast 100 Milliarden.

    Hoher Alkoholkonsum: „Die Gesetze in Deutschland sind viel zu lasch“

    Zwar ging der Alkoholkonsum zuletzt leicht zurück. Mit einem Pro-Kopf-Konsum von 10,2 Litern Reinalkohol liegt Deutschland aber trotzdem deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Hinzu kommt: Deutschland hat sich als Mitgliedstaat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2013 dazu verpflichtet, bis 2025 den Alkoholkonsum um zehn Prozent zu verringern. Der Rückgang lag bisher aber nur bei acht Prozent. Das sorgt für Kritik. Die WHO fordert strengere Regeln von der kommenden Bundesregierung.

    „Die Gesetze in Deutschland sind viel zu lasch“, sagt Rüdiger Krech, Direktor für Gesundheitsförderung bei der WHO, unserer Redaktion. „Die Biersteuer ist in anderen Ländern fast doppelt so hoch, in Österreich beispielsweise. Und auf Wein wird gar keine solche Steuer erhoben.“ In kaum einem anderen Land sei Alkohol und Tabak so günstig wie in Deutschland.

    „Wir wissen ja, was dagegen hilft. Und die Verantwortlichen wissen es auch“, sagt er. „Was fehlt ist der politische Wille“. Krech fordert eine Anhebung der Steuer auf 75 Prozent der Produktionspreise. Außerdem müsste man bei der Öffentlichkeitsarbeit ansetzen. „Werbung auf Alkohol müsste grundsätzlich verboten werden. Auch hier ist Deutschland ein Ausnahmefall“, sagt er. „Und Alkohol dürfte nicht so frei zugänglich im Supermarkt verkauft werden.“

    Bayern will das sogenannte „begleitete Trinken“ verbieten

    Das Thema wollte die Ampel-Regierung eigentlich angehen. „Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis“, hieß es damals im Koalitionsvertrag. Umgesetzt wurde das nicht. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung äußerte sich auf Anfrage nicht dazu. Und ähnliche Selbstverpflichtungen finden sich im aktuellen Koalitionsvertrag von Union und SPD nicht. „Wir ergreifen geeignete Präventionsmaßnahmen, um insbesondere Kinder und Jugendliche vor Alltagssüchten zu schützen“, heißt es dort lediglich. Rüdiger Krech hält das für unzureichend. „Mann muss nicht denken, dass das einfach vergessen wurde. Dahinter stecken mächtige Lobby-Interessen“, sagt er. „Und am Ende leiden darunter alle, zum Beispiel durch ein überfordertes Gesundheitssystem und steigende Beiträge.“

    Neben der WHO fordern auch deutsche Politiker strengere Regeln bei der Werbung. „Alkohol hat an der Supermarktkasse zwischen Kindersüßigkeiten genauso wenig verloren wie Tabak“, sagt Janosch Dahmen, Sprecher der Grünen-Fraktion für Gesundheitspolitik, unserer Redaktion. „Es geht nicht um Verbote, sondern um vernünftige Regulierung.“ Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach schlägt einen anderen Weg vor. Sie will das sogenannte „begleitete Trinken“ verbieten. „Es macht mit Blick auf unsere Präventionsziele keinen Sinn, dass Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren in Bars oder Restaurants Alkohol konsumieren dürfen, wenn sie dabei von einer sorgeberechtigten Person begleitet werden.“

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