Immer mehr Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Derzeit beziffert das Statistische Bundesamt die Zahl der Pflegebedürftigen auf rund 5 Millionen. Ein Blick auf die Alterspyramide zeigt: Tendenz steigend. Die Kosten für das Pflegeheim werden dabei je nach Pflegegrad von 1 bis 5 nur anteilig von der Pflegekasse übernommen. Den größeren Teil zahlen die Pflegebedürftigen durch einen Eigenanteil selbst. Das Problem: Die Pflegeheim-Kosten sind in der Vergangenheit explodiert.
Um Pflegebedürftige zu entlasten, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) daher eine „Obergrenze“ für den Eigenanteil vorgeschlagen. Geld, das am Ende von den Beitragszahlern gestemmt werden müsse, kritisiert die Private Krankenversicherung (PKV).
Eigenbeteiligung der Pflegekosten: Wofür müssen Pflegebedürftige selbst aufkommen?
Grundsätzlich teilen sich Pflegebedürftige und die Pflegekasse in etwa die monatlich aufzubringende Summe für das Pflegeheim. Doch gerade zu Beginn der Pflegezeit steuern die Betroffenen einen deutlich höheren Eigenanteil zu den Pflegekosten selbst bei. Schaut man auf die Entwicklung der Kostenaufteilung, fällt zudem auf: Der Eigenanteil von Pflegebedürftigen ist in kurzer Zeit exorbitant angestiegen. So betrug die Pflegeheim-Zuzahlung laut einer jüngsten Auswertung des Verbands der Ersatzkassen (vdek) zum 1. Juli 2024 bundesweit im Schnitt 2.871 Euro pro Monat. Das sind 211 Euro mehr als noch Mitte 2023. Die Pflegekasse steuert bei Pflegegrad 5 dagegen laut dem Sozialverband vdk aktuell 2005 Euro bei.
Der hohe Eigenanteil ergibt sich laut dem Info-Portal pflege.de vorwiegend aus den hohen Ausgaben für die Pflege, Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten.
Experten schlagen Alarm: Pflegeheim-Kosten explodieren
Dabei ist das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht. Zu erwarten ist, dass die Kosten in der Pflege in absehbarer Zukunft weiter steigen werden. Wie das Wissenschaftliche Institut der Privaten Krankenversicherung (WIP) ermittelt hat, könnte der Eigenanteil im Jahr 2029 bereits bei 3142 Euro liegen. Das würde bedeuten, Pflegebedürftige hätten 803 Euro monatlich mehr zu stemmen, was einer jährlichen Mehrbelastung von knapp 10.000 Euro entspricht.
Verantwortlich für die Kostenexplosion in der Pflege sollen laut einem Bericht der Deutschen Presse- Agentur (dpa) die Preissteigerungen bei den Energiekosten, die gestiegenen Lebensmittelkosten und die höheren Löhne fürs Pflegepersonal sein.
Angesichts der Prognosen rief die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Carola Reimann die Politik zum Handeln auf: „Trotz angehobener Entlastungszuschüsse steigen die Eigenanteile für Pflegeheim-Bewohner weiter (...). Die Bundesregierung muss daher schnellstens dafür Sorge tragen, dass das Leistungsniveau der Pflegeversicherung nicht absackt. Es darf nicht passieren, dass das Vertrauen der Versicherten in diesen Sozialversicherungszweig schwindet.“
Explodierende Pflegekosten: Lauterbach will Deckelung von Eigenanteil ab Herbst
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte Mitte Juli im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio vorgeschlagen, die Preisspirale in der Pflege durch eine Deckelung des Eigenanteils zu stoppen. „Wir müssen dazu kommen, dass wir vielleicht mit einer Obergrenze für den Eigenanteil arbeiten. Das prüfen wir derzeit. Wir prüfen auch, wie die Investitionskosten stärker durch die Länder getragen werden können. Die Länder machen da zu wenig. Das fällt so auf die Füße der Versicherten, der zu Pflegenden“, sagte der Minister. Lauterbach kündigte an, im Herbst mit einer „Regelung zu kommen“. Wo die ins Spiel gebrachte „Obergrenze“ liegen könnte, verriet er nicht.
Private Krankenversicherung (PKV) kritisiert: „Sozialpolitik mit der Gießkanne weder zielführend noch bezahlbar“
Gleichzeitig würde eine Deckelung der Kosten für Pflegebedürftige bedeuten, dass mehr Geld auf die ohnehin abnehmende Zahl der Beitrags- und Steuerzahler abgewälzt würde. Das WIP hatte hierzu eine ausführliche Berechnung vorgelegt. So könnte eine „Obergrenze“ bis 2030 jährliche Kosten zwischen sieben und 18 Milliarden Euro verursachen. Innerhalb von 6 Jahren würden so insgesamt 80 Milliarden Euro zu Buche stehen. Das Institut hatte sich bei der Berechnung explizit auf den sogenannten Einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) bezogen. Für die Kostenschätzung geht das WIP davon aus, dass sich die Ausgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung im Schnitt an der Steigerungsrate der vergangenen 20 Jahren orientiert, also plus 5,7 Prozent pro Jahr betragen wird.
PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther sagte zur Auswertung: „Obergrenzen für die Eigenanteile sind Sozialpolitik mit der Gießkanne – weder zielführend noch bezahlbar. Die Kosten tragen die Beitrags- und Steuerzahler und vor allem die jüngeren Generationen, während davon auch Menschen mit Privatvermögen profitieren.“ Um die Sozialsysteme zu finanzieren, forderte er stattdessen „mehr Eigenverantwortung und private Vorsorge.“
Übrigens: Einen ganz anderen Vorschlag machte jüngst ein Pflege-Experte. Pflegebedürftige sollten demnach ihr eigenes Haus verkaufen, um die Kosten für das Pflegeheim zu bezahlen.
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