Die Deutschen sind ein ängstliches Volk – vor allem, wenn sie an das eigene Alter denken. Noch größer als die Sorge, den gewohnten Lebensstandard nicht mehr halten zu können, ist dabei die vor einem Leben in Abhängigkeit, reduziert auf das Gefüttert-, Gewaschen- und Gewickelt-Werden in der tristen Anonymität eines Heimes.
Mehr als 40 Prozent der Bundesbürger fürchten nach einer Umfrage, ein solcher Pflegefall zu werden. Und diese Sorge ist berechtigt, weil das deutsche Pflegesystem nicht im mindesten auf die Anforderungen einer rasant alternden Gesellschaft vorbereitet ist. Mit ihrer jüngsten Reform hat die Ampelkoalition zwar die Beiträge zur Pflegekasse und deren Leistungen erhöht, damit aber allenfalls etwas Zeit gewonnen. Im Jahr 2050 werden elf von 100 Deutschen älter als 80 Jahre sein; das heißt, die Zahl der Pflegebedürftigen wird bis dahin von knapp fünf auf annähernd sieben Millionen steigen. Wenn diese Menschen nicht einfach nur versorgt und verwahrt, sondern in den letzten Jahren ihres Lebens auch die Betreuung und die Aufmerksamkeit erhalten sollen, die sie verdienen, muss spätestens die nächste Bundesregierung umsteuern.
Pflege in Deutschland - der Eigenanteil ist kräftig gestiegen
Dabei geht es, vor allem, ums Geld. Dass Pflegerinnen und Pfleger noch immer viel zu schlecht bezahlt sind, ist dabei nur ein Teil des Problems - und ein alleine mit den Anwerben von Pflegekräften aus dem Kosovo oder von den Philippinen nicht zu lösender. Aber auch für viele Pflegebedürftige ist die Belastungsgrenze längst erreicht. Innerhalb eines Jahres sind die Kosten, die sie für einen Platz in einem Heim aufbringen müssen, von durchschnittlich 2200 Euro auf mehr als 2500 Euro gestiegen, teilweise addieren sich die Eigenanteile auch schon auf deutlich mehr als 3000 Euro. Bei einem Drittel dieser Menschen muss in Ermangelung einer auskömmlichen Rente und angesparter Reserven deshalb das Sozialamt einspringen, also der Staat.
Auch deshalb fordern Gewerkschaften und Sozialverbände jetzt eine Vollversicherung für die Pflege, die analog zur Krankenkasse alle pflegebedingten Kosten übernimmt. Das aber würde nur die Beiträge in die Höhe treiben, Arbeitsplätze noch teurer machen und das Umlagesystem, in dem eine kleiner werdende arbeitende Generation eine wachsende ältere Generation finanziert, noch instabiler machen. Bei der Rente haben SPD und Grüne schon vor mehr als 20 Jahren die Zeichen der Zeit erkannt und begonnen, die private Vorsorge mit hohen Zuschüssen zu fördern – eine im Kern vernünftige, in der Umsetzung allerdings nicht wirklich geglückte Politik. Bei der Pflege dagegen belohnt der Staat den Abschluss einer privaten Pflegeversicherung bis heute mit mageren 60 Euro Prämie im Jahr.
2024 fällt der Bundeszuschuss weg
Auch sonst hält sich der sonst so großzügige deutsche Sozialstaat bei der Pflege bis heute vornehm zurück. In die Renten- und Krankenkassen pumpt er jedes Jahr weit über 100 Milliarden Euro aus dem Steuertopf, der gesetzlichen Pflegeversicherung dagegen wollen die Ampelparteien im nächsten Jahr den ohnehin bescheidenen Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro sogar komplett streichen. Dabei wäre das Gegenteil nötig, um Millionen Menschen einen Lebensabend in Würde zu ermöglichen: ein höherer Bundeszuschuss, ergänzt um Steuervorteile und höhere staatliche Prämien für Versicherte, die ihr Pflegerisiko auch früh privat absichern. Auf lange Sicht ist das günstiger, als einen wachsenden Teil der Pflegekosten den Sozialämtern aufzubürden.