Vor dem Nato-Gipfel Ende Juni hatten führende deutsche Rüstungs-Manager die Bundesregierung aufgefordert, zügig Aufträge an die Unternehmen zu vergeben. Seitdem ist der Druck auf Deutschland, möglichst rasch wieder verteidigungsfähig zu werden, gestiegen. Gespräche unserer Redaktion mit führenden Rüstungs-Managern Deutschlands zeigen: Die Bundesregierung hat das Tempo erhöht und ist bereit, bei den Unternehmen in größerem Umfang Verteidigungs-Güter zu bestellen.
So sagte Oliver Dörre, Vorstandsvorsitzender des Rüstungselektronik-Konzerns Hensoldt mit Sitz in Taufkirchen bei München, zum Nato-Ziel, dass die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsländer auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen sollen: „Deutschland setzt dieses Ziel in der Haushaltsplanung konsequent um und übernimmt eine Führungsrolle in Europa.“ Und er fügte hinzu: „Während viele unserer europäischen Partner noch den Fahrplan lesen, nimmt der deutsche Zug bereits Fahrt auf.“
Auf Forderungen der Rüstungsbranche nach mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit für die Unternehmen folgt nun Anerkennung der Firmen für die Arbeit der Bundesregierung. Dörre zeigte sich überzeugt: „Die Richtung stimmt. Wir gehen davon aus, dass mit der Verabschiedung der Haushaltsplanung im September erste Aufträge bei uns eingehen werden.“ Viele Beschaffungsprogramme würden über langfristige Rahmenverträge laufen. Nur so könne Hensoldt die Produktions-Kapazitäten nachhaltig hochfahren, Lieferketten stabilisieren und Personal langfristig aufbauen.

Der Hensoldt-Chef geht davon aus, „dass die Industrie ab Herbst mit Aufträgen rechnen kann“. Doch er weiß, dass viele Verträge, beispielsweise für die ganzen Gefechtsfahrzeuge, zunächst mit den Herstellern abgeschlossen werden. Somit werde der größte Teil der Aufträge für den Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt erst 2026 in die Bücher kommen.
Deutschland rüstet auf
Damit ist klar: Im kommenden Jahr wird das Projekt, Deutschland konsequent aufzurüsten, deutlich an Fahrt aufnehmen. Der Druck bleibt hoch, denn schließlich greift Russland die vom Westen unterstützte Ukraine immer heftiger an und terrorisiert die Menschen des Landes.
Heimische Verteidigungs-Unternehmen betonen immer, dass sie lieferfähig seien, weil sie mit Investitionen in eine Ausweitung der Produktion in Vorleistung gegangen sind. Dörre versprach: „Wir können Aufträge rasch abarbeiten.“ Und er appellierte an die Bundesregierung: „Wenn Aufträge schneller erteilt werden, können wir diese Investitionen noch zielgerichteter und mit höherer Schlagkraft einsetzen.“
Was interessant ist: Nach Kritik in der Vergangenheit loben führende Rüstungs-Manager die Arbeit der Beschaffungsbehörden. So sagte der Hensoldt-Chef: „Die Zusammenarbeit ist konstruktiv und von dem gemeinsamen Ziel getragen, die Einsatzbereitschaft zu verbessern.“ Er erlebe auf Arbeitsebene ein hohes Engagement, Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Hensoldt unterhält einen großen Standort in Ulm.
Rüstungsbranche will an Autoindustrie Maß nehmen
Wie Dörre sieht auch MBDA-Deutschland-Chef Thomas Gottschild Fortschritte, was die Aufrüstung Deutschlands betrifft: „Die Beschaffungsprozesse sind schon im vergangenen Jahr deutlich schneller geworden. Ich erlebe hier sehr engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Beschaffungsbehörden.“ Doch es gebe noch Verbesserungs-Potenzial, was die Zeitspanne vom Auftrag über die Zulassung bis zur Indienststellung von Rüstungsgütern betrifft. Im Interview mit unserer Redaktion machte der Repräsentant des Lenkflugkörper- und Waffenherstellers MBDA deutlich: „Bei Aufträgen mit entsprechend hohen Stückzahlen können wir an der Autoindustrie Maß nehmen. Wir sind dann in der Lage, dank Automatisierung größere Stückzahlen an Lenkflugkörpern in kürzerer Zeit herzustellen.“
Das Unternehmen sieht sich einer Bewerberflut gegenüber. Allein in diesem Jahr haben sich schon gut 10.000 Frauen und Männer bei MBDA Deutschland beworben. Gottschild kündigte an: „In Schrobenhausen steigt die Zahl der Mitarbeitenden von 1100 auf 1700.“
Auch im Airbus-Konzern rechnen die Verantwortlichen mit einem Anziehen der Aufträge. Der Betriebsrats-Vorsitzende der Rüstungssparte, Thomas Pretzl, forderte im Gespräch mit unserer Redaktion die Bundesregierung auf, mehr Eurofighter-Flugzeuge zu bestellen. Gleiches gelte für das militärische Transport-Flugzeug A400M. Auch hier ist für ihn: „Mehr Produktion, mehr Export und mehr Weiterentwicklung.“ Die Belegschaft sei bereit, dies zu leisten. Für Pretzl ist der A400M das einzige militärische Transport-Flugzeug, das den gestiegenen Anforderungen gerecht wird: „Deutschland, Europa und die Nato haben mit der A400M-Maschine einen taktischen und industriellen Vorteil, den wir weiter ausbauen sollten.“
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