Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

AfD in Görlitz: Wähler zwischen Ohnmacht & Hoffnung auf Veränderung

Landtagswahl in Sachsen

AfD-Wähler in Görlitz: „Sobald gewählt wird, sind wir wieder relevant“

    • |
    • |
    • |
    Teilnehmer stehen während einer Wahlkampfveranstaltung der AfD auf dem Görlitzer Marienplatz.
    Teilnehmer stehen während einer Wahlkampfveranstaltung der AfD auf dem Görlitzer Marienplatz. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Es scheint, als hätte sich der Himmel über Görlitz mit der Veranstaltung abgestimmt, die auf dem Marienplatz am Freitagabend stattfindet. Denn als die AfD-Chefs Tino Chrupalla und Alice Weidel in der Stadt an der polnischen Grenze zu Gast sind, beflecken nur ein paar weiße Wolken den AfD-blauen Himmel. Es ist der Endspurt vor den Wahlen in Sachsen, wo die AfD sich mit der CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen darum liefert, wer die stärkste Kraft wird. Weidel und Chrupalla skandieren ihre Wahlkampfparolen: Sie schimpfen gegen die CDU und die Berliner Ampelkoalition, hetzen gegen Flüchtlinge und werben für russisches Gas. Die Menge tobt, ist begeistert und übertönt die Trillerpfeifen des Gegenprotestes. Dann, nach zwei Stunden Programm, ist die Veranstaltung zu Ende. Für Heinz, der seinen Nachnamen nicht in diesem Artikel lesen möchte, führt der Heimweg vorbei am pfeifenden Gegenprotest. Am 1. September wird er die AfD wählen. Genauso wie er es schon bei den vergangenen Landtagswahlen 2019 getan hat. Der 59-jährige Dresdener sagt, er habe „die Schnauze voll von Ministerpräsident Kretschmer“.

    In Görlitz führt Freitagabend kein Weg mehr an der Wahl am Sonntag vorbei: Die SPD hat einen – sehr gering besuchten – Stand in der Altstadt aufgebaut. Das Gesicht des amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer ziert zig Wahlplakate. Görlitz ist die Heimatstadt des Ministerpräsidenten. Um das Direktmandat seines Wahlkreises Görlitz 2 muss er dieses Mal bangen: Laut jüngsten Prognosen sitzt ihm dort die AfD im Nacken. Als die Protestierenden nur noch leise im Hintergrund zu hören sind, fängt Heinz an zu erzählen, warum die AfD mittlerweile für ihn alternativlos sei.

    Bei der letzten Veranstaltung der AfD vor der Wahl in Sachsen jubelt die Menge Alice Weidel zu.
    Bei der letzten Veranstaltung der AfD vor der Wahl in Sachsen jubelt die Menge Alice Weidel zu. Foto: Nicolas Friese

    Laut Prognosen wird die AfD bei der Landtagswahl zweitstärkste Kraft

    An diesem Abend in Görlitz trägt er ein AfD-blaues Poloshirt. Wo die kurze Chino-Hose aufhört, blitzt auf seinem rechten Oberschenkel das Tattoo eines Ankers hervor. „Der Anschlag in Solingen hat gezeigt, dass die Einwanderung ein Ende haben muss“, sagt er. In Dresden, das den Polizeistatistiken zufolge als vergleichsweise sichere Stadt gilt, gebe es Gegenden, die er abends vermeide. „Ich fühle mich einfach nicht mehr sicher“, sagt der selbstständige Elektriker. Kurz davor hatte Vorsitzende Weidel gesagt, man wolle die Einwanderung stoppen. „Es wird keine Migration nach Sachsen geben“, schrie sie in das Mikrofon. „Ich verstehe nicht, warum die Flüchtlinge so viel bekommen und die, die hier schon seit immer leben, so wenig“, sagt Heinz. Dass es erwiesen ist, dass Geflüchtete keineswegs mehr Geld als Rentner bekommen, glaubt er nicht. Er stehe kurz vor der Rente, mache sich viele Gedanken um seine finanzielle Zukunft: „Ich wünsche mir von der AfD, dass sie uns Rentner helfen wird“, sagt er, als stehe es ihn bereits fest, dass die AfD die Landtagswahlen für sich entscheiden werde.

    Ein paar Stunden davor. Wenige Augenblicke, bevor Alice Weidel die Bühne in Görlitz betreten wird, lehnt Linus an einer Straßenlaterne auf dem Marienplatz. Der 23-Jährige, der auch nur seinen Vornamen nennen möchte, hat seine langen schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Linus wohnt in Dresden, kommt aber ursprünglich aus Görlitz. Er sagt, er habe Görlitz „aufgrund mangelnder Perspektiven verlassen“. In Dresden studiert Linus, mit seinen Kommilitonen und Kommilitoninnen könne er „aber nichts anfangen“, sagt er. Die seien „alle eher links“, nur wenige Bekannte hätten dieselbe Einstellung wie er. Auch er kritisiert die CDU rund um Kretschmer und schießt gegen die Ampel und deren Ukraine-Politik: „Ich finde es nicht richtig, Waffen in die Ukraine zu liefern.“ Er habe das Gefühl, in Berlin vergesse man den Osten. Er sagt: „Sobald aber die Wahlen anstehen, sind wir wieder relevant“. Kurz danach, als Alice Weidel auf der Bühne sagt, dass die Ukraine nicht das 17. Bundesland sei, klatscht Linus energisch in die Hände. „Sie sagt genau das Richtige.“ Es sei ein Gefühl von Ohnmacht und Frust, das ihn dazu verleite, die AfD zu wählen.

    Alice Weidel schimpft bei der AfD-Veranstaltung in Görlitz gegen die Ampel

    Klar sei für Linus auch, dass „die Verbrechen der Corona-Pandemie“ aufgeklärt werden müssten. Man habe ihm, so sieht er es, „die Freiheit genommen, die das jugendliche Dasein mitbringt“. Während ihm Strafen gedroht hätten, weil er Freunde besuchte, hätten sich „die Politiker die Taschen mit Masken-Geld vollgeschlagen“. Am Anfang der Pandemie habe er sich noch an die Regeln gehalten, nach einer Weile nicht mehr. „In Berlin haben sie, damals wie jetzt, jeglichen Bezug zum echten Leben verloren.“ Das soll sich, wenn es nach Linus und Heinz geht, ändern. „Mit der AfD“, sagt Heinz, „erst in Sachsen und dann auf Bundesebene nächstes Jahr“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden