Vor 80 Jahren endete die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten. Überall in Deutschland gedenken Menschen der abscheulichen Gräueltaten, die dieses Regime begangen hat. Und fast zeitgleich stuft der Verfassungsschutz die größte deutsche Oppositionspartei als rechtsextrem ein. Man muss diesen Gedanken kurz sacken lassen.
Natürlich ist ein AfD‑Verbot deshalb noch lange nicht richtig. Die Hürden für ein solches Parteienverbot sind zu Recht hoch. Aber es muss zumindest geprüft werden. Alles andere wäre vor dieser historischen Kulisse verantwortungslos.
Beweise gibt es genug. Ob sie tragen, muss die Justiz entscheiden.
Um das gleich klarzumachen: Die Einstufung des Verfassungsschutzes bedeutet noch lange nicht, dass Karlsruhe ein Verbot gegen die Partei ausspricht. Und es gibt wenig Anmaßenderes als Journalisten und Hobby-Juristen, die meinen, Verfassungsrichtern Ratschläge für ihre Arbeit aussprechen zu müssen. Darum geht es auch nicht. Aber es ist jetzt die Aufgabe der Bundesregierung, des Bundesrats oder des Bundestags, ein solches Verbotsverfahren in Karlsruhe anzustoßen. Nur diese drei Instanzen sind dazu berechtigt.
Es gab bisher viele Gründe gegen ein solches Verfahren. Ein Mangel an Beweisen und die fehlende Einstufung des Verfassungsschutzes waren ein Argument. Das fällt nun weg. Der Verfassungsschutz hat ein mehr als 1000 Seiten starkes Dossier zusammengestellt. Beweise gibt es genug. Ob sie tragen, muss die Justiz entscheiden.
Ein Grund gegen ein Verbotsverfahren lautet: Das stärkt nur die Opferrolle der AfD. Na und?
„Man muss die AfD politisch bekämpfen“, heißt es immer von Gegnern eines Verbotsverfahrens. Natürlich muss man das. Aber das eine schließt das andere nicht aus. Politik und Justiz sind getrennte Instanzen. Beide sollten ihre Antworten auf einen erstarkenden Rechtsextremismus in Deutschland finden. Wer ein Verbotsverfahren ablehnt mit der Begründung, man müsse die Partei politisch stellen, übernimmt geradezu das Narrativ der Rechtsextremen. Jene Behauptung nämlich, dass die politische Mitte zu feige wäre, sich inhaltlich mit der AfD auseinanderzusetzen. Und die noch viel dreistere Unterstellung, dass die Gerichte auf Geheiß der Regierung urteilen würden. Aber so ist es ja gerade nicht. Also lasst die Richter ihre Arbeit machen!
Ein weiterer Grund gegen ein Verbotsverfahren lautet: Das stärkt nur die Opferrolle der AfD. Na und? Natürlich wird die AfD das für sich nutzen. Die Opferrolle ist eine der zentralen Erzählungen dieser Partei. Sie zieht die Karte, wann immer es geht – ganz egal, ob es gerechtfertigt ist oder nicht. Aber deshalb nicht zu handeln? Das wäre fatal. Genau das bezweckt die Partei mit ihrer Opfer-Erzählung. Sie gewinnt den Prozess, ohne dass sich je ein Richter oder eine Richterin damit beschäftigt hätte. Es wäre eine vorauseilende Kapitulation der politischen Mitte. Furcht vor rhetorischen Opfer-Erzählungen darf kein Grund gegen ein Verbotsverfahren sein. Nicht in diesem Land.
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