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Ampel-Regierung: Das haben SPD, Grüne und FDP geschafft

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    Waren sich nicht immer einig: Finanzminister Christian Lindner (FDP), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen, von links).
    Waren sich nicht immer einig: Finanzminister Christian Lindner (FDP), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen, von links). Foto: Michael Kappeler, dpa (Archivbild)

    Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist Geschichte. In einer turbulenten Woche verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Entlassung des FDP-Finanzministers Christian Lindner und damit das Aus der rot-grün-gelben Regierung. Im Januar plant der Kanzler, den Weg für Neuwahlen freizumachen – diese könnten dann im März stattfinden. So endet die Legislaturperiode einer mit ambitionierten Plänen gestarteten Ampel vorzeitig.

    453 Einzelversprechen enthält der im November 2021 verabschiedete Koalitionsvertrag, und damit gut 50 Prozent mehr als der der Vorgängerregierung. Obwohl die Ampel laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung bereits zur Halbzeit im September 2023 knapp zwei Drittel der geplanten Vorhaben umgesetzt oder mit der Umsetzung begonnen hatte, überschatteten jedoch öffentliche Streitereien die Erfolge. Wir blicken zurück auf die bedeutendsten Errungenschaften der Koalition.

    Das Neun-Euro-Ticket

    Es war ein Geschenk in Form eines Zugtickets. Drei Monate lang fuhren die Deutschen im Sommer 2022 quasi umsonst im Nahverkehr. Punks pilgerten nach Sylt, Städter sparten sich ein teures Monatsticket für die U-Bahn und Familien nutzten das Neun-Euro-Ticket für gemeinsame Ausflüge am Wochenende. Das zeigte Wirkung: Die Zahl der Passagiere pro Tag stieg um 430.000 Personen an.

    Zwar zweifelten Wirtschaftsforscherinnen und -forscher an der Effizienz des Tickets. Denn gerade Pendler stiegen eher selten vom Auto auf den Zug um. Trotzdem war die Maßnahme beliebt: Etwa 30 Millionen Menschen kauften sich das Ticket, ein Großteil sprach sich in einer Spiegel-Umfrage für eine Verlängerung aus.

    Die kam dann irgendwie auch, nur eben 40 Euro teurer: das Deutschlandticket. Das Ticket mag sich zwar nicht in gleicher Weise für jeden lohnen, profitieren doch Städter ungleich mehr von dem Angebot. Doch hat die Maßnahme eines in jedem Fall erreicht: Den Tarif-Dschungel im deutschen Nahverkehr zu vereinheitlichen.

    Teillegalisierung von Cannabis

    Großmundig setzten sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag das Ziel, die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. Nach Jahrzehnten der Kriminalisierung von Cannabis-Anbau und -Konsum wollte die neue Bundesregierung eine politische Kehrtwende vollziehen. Gegenwehr kam vor allem seitens der Union und der AfD: Sie befürchteten einen Anstieg von Kriminalität, mehr Drogensüchtige und schwierige Kontrollen.

    Nach reichlich durchgeführten Anpassungen verabschiedete der Bundestag im Februar 2024 letztendlich das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis. Wegen rechtlicher Bedenken und auf Wirken der Opposition allerdings ohne die Abgabe in lizenzierten Geschäften. Dafür mit deutlich kleinteiligeren Regelungen und mehr Bürokratie. Dennoch freuten sich Cannabis-Konsumenten in ganz Deutschland über die Entkriminalisierung. Mehr als ein halbes Jahr später steht fest: Befürchtete Horrorszenarien der Legalisierungsgegner sind bisher nicht eingetreten.

    Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche

    Am 24. Juni 2022 stimmte der Bundestag für die ersatzlose Streichung des Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch. Dieser regelte das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Zwar waren auch vor dem Beschluss Abtreibungen grundsätzlich erlaubt, doch für betroffene Personen war die Informationslage schwierig. Laut Werbeverbot durften Ärztinnen und Ärzte auf ihrer Homepage darüber informieren, dass sie Abtreibungen durchführen, doch nicht mitteilen, welche Methoden es dafür gebe. Eine ausführliche Aufklärung zum Thema war also nicht möglich. Die rechtlichen Grundlagen sind besser, doch trotz der Aufhebung des Werbeverbots bieten nur wenige Ärztinnen und Ärzte Schwangerschaftsabbrüche an.

    Außerplanmäßige Erhöhung des Mindestlohns

    Es war eines der zentralen Wahlkampfversprechen der SPD: Der Mindestlohn solle vorzeitig auf zwölf Euro pro Stunde steigen. Eigentlich ist dafür die Mindestlohnkommission zuständig. Darin beraten jeweils drei hochrangige Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter, zwei Wissenschaftler und ein oder eine Vorsitzende alle zwei Jahre über eine Erhöhung der Lohnuntergrenze. Anschließend legt die Kommission einen Vorschlag vor, den die Regierung in der Regel mit einer Verordnung verbindlich macht.

    Im Oktober 2022 verabschiedete der Bundestag die außerplanmäßige Mindestlohn-Erhöhung von 10,45 Euro auf 12 Euro und hob gleichzeitig die Verdienstgrenze für Minijobs von 450 auf 520 Euro an. Obwohl zahlreiche Arbeitgeberverbände die neue Lohnuntergrenze kritisieren, liegt diese nach wie vor unter der EU-Mindestlohnrichtlinie. Demnach soll der Mindestlohn 60 Prozent des nationalen Medianlohns entsprechen, was derzeit etwas mehr als 14 Euro wären.

    Selbstbestimmungsgesetz

    „Wir werden das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen.“ Dieses Anliegen aus dem Koalitionsvertrag hat die Ampel-Regierung 2024 umgesetzt. Seit dem 1. November ist das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Menschen, die sich als trans- oder intergeschlechtlich oder nichtbinär definieren, macht es das Gesetz leichter, den Vornamen und den Geschlechtseintrag zu ändern.

    Mit dem Selbstbestimmungsgesetz hat die Ampel eine Reform geschafft, die schon lange gefordert worden war. Denn das zuvor geltende Transsexuellengesetz (TSG) galt als umstritten. Betroffene hatten den langwierigen und kostspieligen Weg zur Änderung des Geschlechtseintrags beklagt. Nun braucht es keine gerichtliche Entscheidung und keine Gutachten mehr für die Änderung von Vorname und Geschlechtseintrag – es reicht eine Erklärung im Standesamt. Bei der Verkündung des Kabinettsbeschlusses hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) gesagt: „Mit dem Selbstbestimmungsgesetz verwirklichen wir das Recht jedes Menschen, in seiner Geschlechtsidentität geachtet und respektvoll behandelt zu werden.“ Das Sebstbestimmungsgesetz enthält dafür noch weitere Regelungen, zum Beispiel dürfen frühere Geschlechtseinträge nicht ohne Zustimmung von Betroffenen offenbart werden. So soll ein Zwangsouting vermieden werden.

    Wie Uniper gerettet wurde

    Für Einigkeit war die Ampel nicht gerade bekannt – und wenn, dann betraf das vor allem gesellschaftspolitische Projekte, in denen SPD, Grüne und FDP eher eine liberale Linie verfolgen. Ein gemeinsames wirtschaftspolitisches Projekt, das weitgehend reibungs- und geräuschlos abgeschlossen wurde, war die Rettung des Energiekonzerns Uniper – der im gleichen Atemzug auch noch zu einem grüneren Unternehmen umgebaut werden soll. Zumindest einen gewissen Anteil daran, dass Uniper in Schieflage geriet, hatte die Ampel unterdessen jedoch auch – wenngleich ihr kaum jemand die Schuld daran gab.

    Besonders Uniper hatte mit dem russischen Überfall auf die Ukraine zu kämpfen. Als Reaktion darauf verhängte unter anderem Deutschland weitreichende Sanktionen gegen Russland, die den Import von Gas aus Russland massiv erschwerten und verteuerten. Uniper, das weiter Energie liefern musste, hatte so deutlich höhere Einkaufspreise – und forderte staatliche Unterstützung. Die gewährte die Bundesregierung gleich mehrfach und in Milliardenhöhe, auch um die Energieversorgung sicherzustellen. Darüber hinaus wurde Uniper verstaatlicht und muss diverse Gas- und Kohlekraftwerke verkaufen, insgesamt sollte Uniper nachhaltiger werden. Allerdings stellt sich inzwischen heraus, dass das weniger reibungslos läuft als erhofft: Zum einen muss Uniper auch sein Fernwärmegeschäft in Deutschland verkaufen – zum anderen hat die Geschäftsführung kürzlich verlautbaren lassen, dass der grüne Umbau aus finanziellen Gründen etwas ins Stocken gerate.

    Energiepreisdeckel: Strom- und Gaspreisbremse

    Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hatte nicht nur Auswirkungen auf Energie-Unternehmen, sondern auch auf Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Preise für Erdgas und andere Energieträger stiegen rasant. Um die Kostenlast zu mindern, beschloss die Ampel-Regierung mehrere Maßnahmen, die die Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger spürbar entlasteten.

    So hatten viele zunächst 300 Euro Energiegeld über ihren Arbeitgeber oder die Rente erhalten. Bei Gebäuden mit Gasheizung übernahm der Staat die Abschlagszahlung für Dezember 2022. Das galt für private Haushalte und kleine bis mittlere Unternehmen und sollte vor allem schnell helfen. Zudem griff seit März 2023 eine Gaspreisbremse, die den Arbeitspreis auf 12 Cent pro Kilowattstunde deckelte. Auch die Umsatzsteuer auf Erdgas wurde zeitweilig von 19 auf 7 Prozent gesenkt.

    Für Strom gab es eine zusätzliche Preisbremse, die den Preis auf 40 Cent pro Kilowattstunde deckelte. Beide Preisbremsen liefen Ende 2023 aus, die angebotenen Preise für Strom und Gas lagen in der Regel wieder unter dem Preisniveau, das durch die Energiepreisbremsen garantiert wurde.

    Ausbildungsgarantie

    Ein Vorhaben, das ohne allzu große Gegenwehr über die Bühne gegangen ist: die Ausbildungsgarantie. Erstmals in der Geschichte haben junge Menschen in Deutschland das Recht auf einen Ausbildungsplatz. Beschlossen am 23. Juni 2023, ist sie seit April 2024 in Kraft. Junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb gefunden haben, bekommen somit ein Recht auf eine außerbetriebliche Ausbildung. Die Ausbildungsdauer soll 24 bis 42 Monate betragen und mit einem vollqualifizierten und formell gleichwertigen Berufsabschluss enden. Dennoch soll laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die betriebliche Ausbildung weiterhin die Regel sein.

    Wahlrechtsreform

    Der Bundestag ist über die vergangenen Wahlperioden immer weiter angewachsen: Waren es 2005 noch 614 Abgeordnete, zogen nach der Wahl 2021 ganze 736 Abgeordnete ins Parlament ein. Damit wurde der Bundestag die größte frei gewählte nationale Parlamentskammer der Welt. Obwohl eigentlich nur 598 Abgeordnete dort sitzen sollen, sorgten immer mehr Überhangmandate für die ansteigende Zahl. Dem wollte die Ampel im Koalitionsvertrag Einhalt gebieten, um die Kosten für die Steuerzahlerinnen und -zahler zu senken.

    Am 17. März 2023 war es dann so weit, der Bundestag beschloss mehrheitlich die sogenannte Wahlrechtsreform. Bei künftigen Bundestagswahlen soll zwar an der Zahl der bisherigen 299 Wahlkreise festgehalten werden, aber die Zahl der Abgeordneten soll auf 630 begrenzt werden. Sowohl Überhangmandate als auch Ausgleichsmandate werden abgeschafft. Auf Klage der CSU hin, hat das Bundesverfassungsgericht die Reform zwar in großen Teilen für rechtens erklärt, eine Abschaffung der Grundmandatsklausel wird es aber nicht geben dürfen. Eine Partei kann deshalb auch in Zukunft ins Parlament einziehen, wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht schafft – sofern sie mindestens drei Direktmandate erringt.

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