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Wahlserie: So fühlt sich die Nation: Zwei Männer, zwei Wege, ein Ziel: Sie wollen jetzt selbst mitbestimmen

Wahlserie: So fühlt sich die Nation

Zwei Männer, zwei Wege, ein Ziel: Sie wollen jetzt selbst mitbestimmen

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    Hoffnung, dass sie etwas bewegen können, haben John Tan (links) und Julian Saupe aus Augsburg. Beide sind im Spätherbst in Parteien eingetreten.
    Hoffnung, dass sie etwas bewegen können, haben John Tan (links) und Julian Saupe aus Augsburg. Beide sind im Spätherbst in Parteien eingetreten. Foto: Marcus Merk / Anna Faber

    Ampel-Aus und Donald Trumps Comeback, währenddessen immer neue Krisen und Kriege, die das Weltgeschehen bestimmen. Im November passierten so viele Dinge auf einmal, dass mancher angesichts der bedrückenden Nachrichtenlage am liebsten gar nichts mehr von der Politik wissen wollte. Zwei Augsburger haben genau das Gegenteil gemacht. Für sie waren die turbulenten Tage der Anlass, selbst aktiv zu werden. Jetzt erst recht.

    John Tan ist seit November Mitglied bei den Grünen. Julian Saupe trat Ende des Jahres der FDP bei. Im Gespräch finden sie trotz aller Meinungsverschiedenheiten auch viele Gemeinsamkeiten. Beide wollen ihren Teil zu einem demokratischen und respektvollen Miteinander beitragen und spüren dabei vor allem eines: Hoffnung.

    Augsburger John Tan trat zwei Tage nach dem Ampel-Bruch den Grünen bei

    In dem Augsburger Café an einem Sonntag ist es laut, als sich der 24-jährige Julian Saupe und John Tan, 52, kennenlernen. Auf die Frage, was ihn derzeit hoffnungsvoll stimmt, antwortet Saupe: „Auch wenn man in manchen Dingen eine andere Meinung hat, kann man noch miteinander sprechen, so wie wir jetzt.“ Tan nickt. Man könne noch einen gemeinsamen Nenner finden, um zu einer gemeinschaftlichen Lösung zu kommen, findet er und fügt hinzu: „Die Lage ist noch nicht so festgefahren wie in den USA.“

    Der Augsburger John Tan ist im November den Grünen beigetreten. Nun unterstützt er die Partei im Wahlkampf.
    Der Augsburger John Tan ist im November den Grünen beigetreten. Nun unterstützt er die Partei im Wahlkampf. Foto: Marcus Merk

    Der Ampel-Bruch war erst wenige Stunden alt, als Tan sich entschied, den Grünen in Augsburg beizutreten. In der Vergangenheit hatte der 52-Jährige, der bei Kuka im Einkauf beschäftigt ist, immer wieder mit dem Gedanken gespielt, sich politisch zu engagieren, den finalen Schritt jedoch nie gewagt. Das Aus der Regierung war dann der nötige Anschub, den Tan brauchte. Zwei Tage später schickte er seine Beitrittserklärung an den Ortsverband der Grünen ab. „Ich dachte, immer nur maulen, bringt nichts. Ich wollte lieber aufstehen und was tun“, sagt er.

    Nun engagiert sich Tan also im Wahlkampf. Er führt Gespräche am Grünen-Infostand im Augsburger Stadtteil Pfersee, beteiligt sich an Hausbesuchen und ist auf Social Media aktiv. Das Diskutieren mit ganz unterschiedlichen Menschen gefällt ihm. Gerade an den Ständen gebe es immer wieder auch gute Gespräche. „Dann fühle ich mich bestätigt, dass ich das Richtige tue“, erzählt er. Dass manche Leute den Grünen mit Kritik oder offener Ablehnung begegnen, gehöre für ihn dazu. „Das muss man leider akzeptieren, dass es auch viel Hass gibt.“ Insgesamt habe er aber das Gefühl, dass die Gespräche etwas bringen. „Das gibt mit Hoffnung“, sagt Tan.

    Seit dem Ampel-Aus steigen die Mitgliederzahlen in den Parteien

    Julian Saupe wollte mit seinem Eintritt bei der FDP ein Statement setzen. Die Art und Weise des Ampel-Bruchs hat ihn geärgert. „Mir gefällt vieles nicht, wie es gerade läuft und worüber diskutiert wird“, sagt der Informatikstudent. In den politischen Debatten gehe es ihm zu wenig um die eigentlichen Inhalte, zudem fehle es an Kompromissbereitschaft der demokratischen Parteien. Dem zugezogenen Augsburger ist der freiheitliche Gedanke wichtig. Der Gedanke, dass vom Staat nicht mehr Beeinflussung ausgeht als nötig.

    Informatikstudent Julian Saupe ist seit Dezember Mitglied der FDP in Augsburg.
    Informatikstudent Julian Saupe ist seit Dezember Mitglied der FDP in Augsburg. Foto: Anna Faber

    Saupe war damit zum Jahreswechsel einer von 68.170 FDP-Mitgliedern, ein Jahr zuvor hatte die Zahl noch bei 71.820 gelegen. Doch der Trend hat sich zuletzt gedreht. Laut einem Parteisprecher sind die Mitgliederzahlen nach dem Ampel-Aus wieder leicht gestiegen. Die Grünen sprechen aktuell sogar von einer regelrechten Eintrittswelle. Nachdem die Union Ende Januar mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit im Bundestag erzielt hatte, seien mehr als 5000 neue Anträge innerhalb von fünf Tagen eingegangen, bestätigte die politische Geschäftsführerin, Pegah Edalatian.

    Als Saupe und Tan auf das Thema Zukunft zu sprechen kommen, entgleitet beiden Augsburgern ein Seufzer. „Das ist ein schwieriges Thema“, sagt Saupe. Er wünsche sich mehr pragmatische Lösungen und weniger Mikromanagement. Hoffnungsvoll stimme ihn, dass immerhin einige Menschen vermehrt die Komplexität der Probleme erkennen und darüber nachdenken würden. Die Situation sei nicht ganz so festgefahren, wie es manchmal den Anschein habe.

    Hitziger Wahlkampf: Augsburger fordern mehr gemeinsame Lösungen

    Tan hält es gerade jetzt für wichtig, dass die demokratischen Parteien an einem Strang ziehen. Es sei weiterhin möglich, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Miteinander sprechen, einander zuhören und gemeinsame Lösungen finden — das alles hat den Debatten im Bundestag in den vergangenen Monaten immer häufiger gefehlt. Der Wahlkampf treibt Spitzenpolitikerinnen und - politiker dazu, mit polarisierenden Aussagen noch hitzigere Debatten zu führen. Das Ringen um Aufmerksamkeit hat Schattenseiten. Symptomatisch dafür, die letzte Sitzung des alten Parlaments vor der Wahl. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf seinem Herausforderer Friedrich Merz (CDU) Attribute wie „Kopflosigkeit“ und „Orientierungslosigkeit“ an den Kopf. Merz konterte, die aktuelle Bundesregierung hinterlasse ein „schieres Desaster“.

    Tan sieht in solch hitzigen Auseinandersetzungen die Gefahr, dass sich dadurch die Regierungsverhandlungen nach dem 23. Februar besonders schwierig gestalten könnten. Es müsse aufhören, dass sich die Spitzenkandidaten gegenseitig die Schuld zuschieben. Das „Fingerpointing“, wie Tan es nennt, sei nicht zielführend. Stattdessen sollten die demokratischen Parteien versuchen, gemeinsam die Herausforderungen anzugehen, vor denen das Land steht.

    Auch Saupe wünscht sich, dass stärker nach Lösungen als nach Problemen gesucht werde. „Dass sich die Parteien nicht immer einig sind, ist ja klar. Aber manchmal wünsche ich mir, dass man schon mal den Kern, bei dem man sich einig ist, umsetzt, anstatt dass gar nichts passiert, weil sich die Parteien nicht zu 100 Prozent einig sind.“ Die Parteispitzen würden nicht unbedingt alle Meinungen ihrer Mitglieder widerspiegeln, sagt Saupe. Auch wenn es viel Streit unter Spitzenpolitikerinnen und -politikern gebe, Diskussionen und Dialoge unter den Mitgliedern der Ortsverbände seien noch möglich. Auch das schenkt den beiden Männern: Hoffnung.

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