Die Neubesetzung der Richterstellen am Bundesverfassungsgericht sorgt für Streit in der Koalition: Die Union hat vom Koalitionspartner SPD verlangt, die am heutigen Freitag geplante Wahl von deren Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf von der Tagesordnung des Bundestages abzusetzen – andernfalls werde sich die Union enthalten. Die Bundestagssitzung wurde unterbrochen. Alle neuen Informationen finden Sie in unserem Live-Ticker.
Mehrheiten waren am Tag vor den Abstimmungen ungewiss
In der Union gibt es Widerstand gegen die SPD-Kandidatin, unter anderem unter Verweis auf ihre Äußerungen zum Abtreibungsrecht. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich Mitte der Woche klar für ihre Wahl ausgesprochen, doch der Unmut in den Reihen der Unionsfraktion über Brosius-Gersdorf wuchs dem Vernehmen dennoch.
Wie die dpa berichtet argumentiert die Unionsfraktion damit, dass es einen Plagiatsverdacht gegen Brosius-Gersdorf gibt. Dieser ziehe ihre fachliche Expertise in Zweifel, hieß es aus der Unionsfraktion. Das sei aber zentrales Argument für die Wahl der Kandidatin gewesen. Eine angehende Verfassungsrichterin müsse über jeden Zweifel erhaben sein, hieß es in der Fraktion weiter. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) sowie Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz hätten der SPD die Entscheidung mitgeteilt. Der CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch sagte der Bild: „Jetzt kommen auch noch Zweifel an ihrer akademischen Redlichkeit hinzu.“
Der österreichische Plagiatssucher Stefan Weber hatte am Donnerstagabend Vorwürfe veröffentlicht. Auf Nachfrage sagte er der Deutschen Presse-Agentur, er habe die Prüfung ohne Auftraggeber vorgenommen. Eine Software habe Übereinstimmungen bei der Dissertation Brosius-Gersdorfs und der Habilitationsschrift ihres Ehemanns gefunden. «Persönlich halte ich es für eher unwahrscheinlich, dass sich ein Habilitand bei einer Dissertation bedient, aber es ist freilich auch möglich», teilte er mit.
Gebraucht wird für die Wahl der neuen Richter am Bundesverfassungsgericht eine Zweidrittelmehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder des Bundestages. Dafür sind neben den Abgeordneten von Union und SPD auch Stimmen von Grünen, Linken oder AfD nötig.
Für den Freitag sind eigentlich drei Wahlen geplant. Die Union schickt den bisherigen Richter am Bundesarbeitsgericht, Günter Spinner, ins Rennen. Die SPD hat neben Brosius-Gersdorf die Juraprofessorin Ann-Katrin Kaufhold nominiert.
Unionsfraktionsspitzen warben für Zustimmung
Die Linken hatten Gespräche mit der Union verlangt und auf die Dauer auch die Möglichkeit, selbst Vorschläge für Verfassungsrichter machen zu können. Nach bisheriger Übereinkunft im Bundestag können Union, SPD und Grüne Richterkandidaten vorschlagen.
Vertreter der Unionsfraktionsführung hatten in den vergangenen Tagen dafür geworben, Brosius-Gersdorf trotz Widerständen in den eigenen Reihen zu wählen. So hatte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Hoffmann, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt: „Frau Brosius-Gersdorf ist keine Kandidatin der Union, aber eine respektable Kandidatin der SPD - und ganz sicher keine linksradikale Aktivistin.“ (dpa)

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