Das Spekulations-Kettenkarussell wird sich nun von Tag zu Tag schneller drehen: Wer folgt Papst Franziskus nach, der an diesem Samstag beigesetzt wird? Hoffentlich wird es den Papst-Wählern, den Kardinälen aus allen Teilen der Welt, nicht schwindelig: Denn die Wahl des nächsten Oberhaupts der katholischen Kirche stellt eine Richtungsentscheidung dar. Stillstand, Rückschritt, Aufbruch? Zweifellos entscheidet sie maßgeblich mit über die Zukunft einer Kirche, die vielfach unter Druck steht.
Sogar ein Papst mit seiner gesamten Machtfülle kann nicht mehr alles durchsetzen
Am größten ist der Druck auf ihre Einheit. Immer augenfälliger ist in den vergangenen Jahren geworden, dass diese Einheit nur mühevoll zu wahren ist. Als 2023 mit Zustimmung des Papstes die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare erlaubt wurde, brach eine Revolte los: Die afrikanischen Bischöfe lehnten ab, Franziskus gestand ihnen das zu. Was zeigte: Sogar ein Papst mit seiner gesamten Machtfülle kann nicht mehr alles durchsetzen. Innerhalb der katholischen Weltkirche mit ihren 1,4 Milliarden Mitgliedern herrscht eine Vielfalt von Glaubensvorstellungen und kulturellen Prägungen, die die Kirche selbst als Kettenkarussell erscheinen lässt. Das Kirchen-Karussell jedoch ist (Flieh-)Kräften ausgeliefert, die unberechenbar sind. Eine der Hauptaufgaben des nächsten Papstes wird es sein, zu verhindern, dass es außer Kontrolle gerät und seine Ketten reißen.
Allein damit wäre er ausgelastet. Das Anforderungsprofil an ihn ist allerdings so lange wie die Liste der Probleme, auf die die Kirche Antworten geben muss: auf den Reformstau in ihren Strukturen und auf ihre Missbrauchsskandale. Vor allem in Europa auf die dramatische Erosion ihrer Relevanz und den nicht minder dramatischen Schwund von Wissen über Glaubensinhalte. Und, alarmierender, auf das Verschwinden des Glaubens an wesentliche Glaubensinhalte. Hinzu kommt die Polarisierung zwischen Katholisch-Konservativen und Progressiven.
Gesucht wird also ein klerikaler Supermann – wobei die Auffassungen, gerade unter den Kardinälen, himmelweit auseinanderdriften, was super an dem Mann zu sein hat. Aus dem Konklave wird, vorsichtige Prognose, ein Kompromisskandidat als Papst hervorgehen, kein zweiter Franziskus, kein Hardliner. Ein Mann der Mitte wäre durchaus nicht die schlechteste Wahl. In ihrer aktuellen Lage braucht die Kirche ein Oberhaupt, das drei Fähigkeiten haben muss: die Fähigkeit, Menschen zusammenzuführen; die Fähigkeit, öffentlich zu kommunizieren; die Fähigkeit, zu entscheiden.
Ein Mann der Mitte wäre durchaus nicht die schlechteste Wahl
Franziskus ist eine Reihe von Problemen angegangen, vieles blieb unvollendet oder war halbherzig. Auch das zeigt das Beispiel der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die kircheninterne Kritiker zu Recht eine „Segnung zweiter Klasse“ nennen. Eine Segnung ist zwar möglich, an der rigiden Sexualmoral änderte sich nichts. Oft folgten den großen Worten von Franziskus kleine Taten. Oft verhedderte er sich in Widersprüchen oder entschied, nicht zu entscheiden. Und doch brachte er die Kirche in ein Selbstgespräch darüber, wie man voranschreiten wolle.
Welchen Papst sie braucht? Einen, der die Anfänge seines Vorgängers zu Enden führt. Der insbesondere unverbindlich Gebliebenes kirchenrechtlich verbindlich macht. Schließlich: der die Kraft findet, ein Drittes Vatikanisches Konzil einzuberufen. Die Zeit ist reif für eine Versammlung sämtlicher Bischöfe. Sie würden debattieren, sie würden streiten – und gemeinsam verbindliche, breit akzeptierte Entscheidungen treffen.
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