Der Krieg in der Ukraine, ein unberechenbarer Partner im Weißen Haus, gewaltige politische Umwälzungen im Nahen Osten, der wirtschaftliche Wettkampf mit dem erstarkten China – die internationalen Herausforderungen für die Bundesregierung sind gewaltig. In seinen Reden macht Bundeskanzler Friedrich Merz deutlich, dass er einen Schwerpunkt seiner Arbeit in der Außenpolitik sieht und hier bewusst Akzente setzen will.
USA: Es war eine Hoffnung, an der Olaf Scholz bis zuletzt festgehalten hatte – er glaubte an die Wahl einer demokratischen Präsidentin in den USA. Mit dem dann-doch-Sieger Donald Trump fremdelte der Sozialdemokrat erkennbar. Das dürfte auf Gegenseitigkeit beruht haben. Friedrich Merz und sein Außenminister Johann Wadephul versuchen es nun mit einer anderen Taktik. Sie signalisieren dem US-Präsidenten, dass Deutschland bereit ist, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund ist auch das Zugeständnis zu werten, dass Deutschland nicht nur das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllen will, sondern sogar bereit ist, weit darüber hinaus zu gehen. Von fünf Prozent ist inzwischen die Rede – allerdings aufgeteilt: 3,5 Prozent für direkte Verteidigungsausgaben und 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur, darunter fallen etwa auch Brücken. Ob das realistisch ist, scheint erstmal zweitrangig, wichtiger erscheint, auf Trump zuzugehen. Auch deshalb lud Merz Donald Trump nun zu einem Deutschlandbesuch und einem Abstecher in die Pfalz ein – von dort kommen die Großeltern des Republikaners. „Es ist von überragender Bedeutung, dass der politische Westen sich nicht spalten lässt“, sagte der CDU-Chef in seiner ersten Regierungserklärung. „Deshalb werde ich weiter alle Anstrengungen unternehmen, um auch weiterhin größtmögliche Einigkeit zwischen den europäischen und den amerikanischen Partnern herzustellen.“ Ob das reicht, wird sich zeigen, die Wege Trumps sind unergründlich.
Die deutsche Israel-Politik ist ein Balanceakt
Nahost: Es ist die außenpolitische Baustelle, die für eine Bundesregierung am schwierigsten zu bewältigen ist. „Israel macht uns allergrößte Sorgen“, sagt Merz. Auf den jahrzehntelangen Terror der Hamas und das Massaker vom 7. Oktober 2023 reagierte die israelische Regierung mit einem Krieg im Gazastreifen, der selbst hartgesottene Beobachter erschreckt. Das Leid der Zivilbevölkerung wächst, gleichzeitig spricht die Koalition um Benjamin Netanjahu immer offener darüber, dass sie das Küstengebiet dauerhaft besetzen will. Die vorherige Außenministerin Annalena Baerbock hatte zumindest zuletzt immer wieder deutliche Kritik an Israel geübt. Auch ihr Nachfolger Johann Wadephul versuchte bei seiner ersten Israel-Reise als Außenminister den rhetorischen Spagat. Er mahnte, die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen nicht zu vergessen und betonte, dass die Zwei-Staaten-Lösung weiterhin das Ziel sein müsse – Netanjahu lehnt das genauso ab wie die Hamas. Zugleich versicherte er Israel die deutsche Solidarität. Eine wirkliche Neuausrichtung der Nahost-Politik ist gleichwohl nicht zu erwarten.
Ukraine: Die Bilder hatten Schlagkraft: Schulter an Schulter stand Merz mit den Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Polen in Kiew. Die „Koalition der Willigen“ versucht, die diplomatischen Initiativen zu einem Ende des Krieges in der Ukraine zu verstärken. Sogar mit den USA war die Initiative abgestimmt. „Dies ist die größte diplomatische Initiative, die es in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren gegeben hat, um den Krieg in der Ukraine zu beenden“, betonte Merz. Ein durchschlagender Erfolg ist bislang nicht zu erkennen, das Treffen der beiden Kriegsparteien in Ankara brachte keinen Durchbruch, der russische Präsident Wladimir Putin erschien gar nicht erst zu den Gesprächen. Für Merz ist seine Haltung zur Ukraine durchaus mit Risiken behaftet. Zum einen will er mehr Entschlossenheit ausstrahlen als sein Vorgänger Olaf Scholz. Zum anderen verlangen Ultimaten, die er setzt, nach Konsequenzen. Doch wie weit ist er wirklich bereit zu gehen? „Wir sind nicht Kriegspartei und werden dies auch nicht werden“, sagte Merz. „Aber wir sind eben auch nicht unbeteiligte Dritte oder neutrale Vermittler sozusagen zwischen den Fronten.“ In der Debatte geht es nicht nur um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Sollte es tatsächlich zu einer Art Frieden zwischen Russland und Kiew kommen, müsste der durch internationale Truppen abgesichert werden.
China gilt für deutsche Firmen als wichtigster Markt
China: Als Friedrich Merz zum Kanzler gewählt wurde, kamen aus Peking freundliche Töne. Er sei bereit, „ein neues Kapitel in der strategischen Partnerschaft zwischen China und Deutschland aufzuschlagen“, schrieb Xi Jinping. Beide Seiten sollten „zusammenarbeiten, um Stürme und Unwetter zu überstehen“. Woher der Sturm weht, ist klar: aus Richtung Washington. Im Zollstreit geht Donald Trump China massiv an, deshalb sucht Xi nach Verbündeten. Tatsächlich sind die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen China und Deutschland eng. Für Deutschland war China laut dem Statistischen Bundesamt 2024 der zweitwichtigste Handelspartner. Im Handelsverhältnis mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sorgten allerdings immer wieder billige Warenimporte aus Fernost und die teils schwierigen Marktzugänge für deutsche Firmen in China für Unruhe. Auch das Thema Menschenrechte rief unter der Vorgängerregierung Spannungen hervor. Von Washington wird zudem eine gewisse Gefolgschaft erwartet, was den harten Umgang mit China angeht. Im Wahlkampf hatte sich Merz auch kritisch zu China geäußert und Vorsicht bei Investitionen in der Volksrepublik angemahnt. China sei kein Rechtsstaat nach „unseren Maßstäben“, hatte Merz im Januar erklärt. Die Wirtschaft ist von solchen Worten wenig begeistert.
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