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Kommentar: Kuscheln statt klare Kante – Deutschland ist zu nett zu Erdogan

Kommentar

Kuscheln statt klare Kante – Deutschland ist zu nett zu Erdogan

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    Seit Tagen wird in den Straßen protestiert.
    Seit Tagen wird in den Straßen protestiert. Foto: Khalil Hamra, AP/dpa

    Die Verhaftung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoglu löste in Deutschland die üblichen Reflexe aus, eine windelweiche Reaktion des Auswärtigen Amtes zum Beispiel. Imamoglus Festnahme sei „ein schwerer Schlag gegen die Demokratie in der Türkei“, erklärte ein Sprecher von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Man hätte sich angesichts des dreisten Vorgehens der türkischen Behörden von deutscher Regierungsseite mehr gewünscht als eine Erklärung des Offensichtlichen. Doch es wird leider nicht mehr kommen.

    Es gibt einen ehernen Grundsatz in der Außenpolitik: Regierungen mischen sich nicht in die Belange anderer Staaten ein. Wenn eine Sache jedoch offensichtlich stinkt, sollte niemand so tun, als ob es nach Rosen duftet. Im Fall der Türkei und ihres Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fällt das Naserümpfen aber schon seit Jahren aus.  

    Aus Angst vor Flüchtlingsströmen lässt Deutschland der Türkei viel durchgehen

    Sämtliche Bundesregierungen haben sich bisher viel von Ankara gefallen lassen. Grundrechtsverstöße oder Verhaftungen deutscher Staatsbürger werden angemahnt, den Worten folgen nie Taten. Mit Diplomatie hat das nichts zu tun. Es geht um Flüchtlinge und ums Geld. Die Türkei hält Migrantinnen und Migranten davon ab, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Kanzler Olaf Scholz profitierte ebenso davon wie seine Vorgängerin Angela Merkel.

    Der mutmaßliche neue Kanzler Friedrich Merz kann seine scharfen Asylpläne ohne Erdogans Hilfe nicht umsetzen, auch von ihm ist deshalb keine politische Offensive gegen die Türkei zu erwarten. Der CDU-Politiker braucht das Land als Wirtschaftspartner – die Türkei ist ein Türöffner für viele asiatische Märkte und ein wichtiger Fürsprecher für deutsche Investitionen. Zu allem Überfluss ist der vorderasiatische Staat Nato-Mitglied sowie Waffenexporteur und damit ein wichtiger Faktor in den deutschen Aufrüstungsplänen.

    Geld kommt vor Moral: Die EU und Deutschland scheuen die klare Kante gegen Erdogan

    Auf EU-Ebene ist die Zurückhaltung aus ähnlichen Gründen genauso groß. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber dachte mal laut über eine Beendigung der seit Jahrzehnten andauernden Beitrittsgespräche zwischen Brüssel und Ankara nach. Davon ist nicht mehr die Rede.

    Deutschlands Umgang mit Imamoglus Festnahme offenbart den ewigen Spagat zwischen Moral und Moneten. Im Fall Türkei hat sich Berlin gegen ersteres entschieden. Es mag sein, dass sich das irgendwann einmal ändert. Auch Moskau ließ man viele Jahre lang viel durchgehen. Menschen wie Ekrem Imamoglu wäre allerdings besser gedient, wenn es nicht immer erst zum Äußersten kommen müsste, bevor die Politik sich eines Besseren besinnt.  

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