Wer dachte, er habe sich an all das Zetern und Herabwürdigen und die handstreichartigen Entscheidungen, die all das beiseite wischen, was eine moderne Gesellschaft ausmacht, irgendwie gewöhnt in den vergangenen Jahren, der wurde womöglich von der eigenen Gänsehaut überrascht, die sich während Donald Trumps Antrittsrede ausbreitete. Im Stil eines Mafia-Bosses sprach der nun wieder mächtigste Mann der Welt, sparte nicht mit Drohungen und üblen Verwünschungen. Wenn man ihm eines zugutehalten kann, dann wohl, dass er aus seinen Plänen nie einen Hehl gemacht hat.
Was man bei anderen als Wahlkampfgetöse abtun kann, ist bei ihm eine stringente Agenda. Dass er gewillt ist, sie durchzuziehen, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Er ist besser vorbereitet als 2017, er weiß, dass seine Anhänger keine roten Linien kennen, er ist fest entschlossen, die Vereinigten Staaten von Grund auf zu verändern. Die Tage des Zorns, sie sind mit der Amtsübergabe von Joe Biden an Donald Trump angebrochen. Ist es den USA gelungen, nach der ersten Amtszeit des Republikaners viele Wunden wieder zu schließen, sind diesmal Zweifel angebracht, ob das erneut gelingen kann. Denn Tatsache ist, dass viele Wählerinnen und Wähler in Amerika den Wüterich nicht trotz, sondern genau wegen seiner disruptiven Politik gewählt haben.
Trump hat in seiner zweiten Amtszeit ideale Rahmenbedingungen
Mit dem hohen Lied auf das Völkerrecht oder internationale Verantwortung wird man zwischen North Dakota und Louisiana kaum Wahlen gewinnen. Es geht um knallharte Interessenpolitik – und für genau die steht Trump wie kein Zweiter. Und wie lange kein Präsident vor ihm, hat er alle Instrumente in der Hand, um aus Ankündigungen eine neue Realität zu machen. In der eigenen Partei gibt es kaum mehr jemanden, der es wagen würde, ihm in den Rücken zu fallen.
Durch die republikanische Mehrheit sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus haben die Demokraten kaum eine Möglichkeit, ihn auszubremsen. Die Millionäre und Milliardäre, die Tech-Giganten und Wirtschaftsbosse haben längst die Seiten gewechselt und scharen sich um den neuen Präsidenten. In ihren kühnsten Träumen hätten sie sich nicht ausmalen können, wie nah sie ihrer Vorstellung von „weniger Staat“ kommen können – was übersetzt nichts anderes heißt, als dass Arbeitnehmerrechte, Umweltbelange und der Schutz von Minderheiten massiv zurückgedrängt werden.

Und die Europäer? Versuchen sich mit Floskeln selbst zu beruhigen – in Wahrheit sind all die Beschwichtigungen, dass man nur zusammenhalten müsse und Einigkeit demonstrieren, nichts anderes als das berühmte Pfeifen im Walde. Nun rächt sich, dass die vergangenen vier Jahre nicht ausreichend genutzt wurden, um sich wirtschaftlich und sicherheitspolitisch stärker zu emanzipieren. Trump und seine Mannschaft kennen unsere Schwächen gut genug, um sie gegen uns auszuspielen. Das muss Deutschland ganz besonders bekümmern, denn dass er die Bundesrepublik auf die Liste seiner Lieblingsfeindbilder gesetzt hat, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Nur auf die Zwischenwahlen zu warten, wenn sich zumindest die politischen Mehrheitsverhältnisse in Washington wieder ändern könnten, dürfte zu wenig sein.
Auf die nächste Bundesregierung, so viel steht bereits fest, warten gigantische Herausforderungen. Sollte der 47. Präsident der Vereinigten Staaten wirklich zweistellige Zölle auf deutsche Produkte einführen, wäre das ein schmerzhafter Schlag für die deutsche Wirtschaft. Und sollte die deutsche Wirtschaft auch in den kommenden Jahren nicht wieder in Schwung kommen, haben Populisten vom Schlage eines Donald Trump auch hierzulande eine goldene Zukunft. Es mag 2029 noch keine Kanzlerin Alice Weidel geben, doch dass die Brandmauern nach rechts bei einem weiteren Erstarken der AfD allein aus machttaktischen Gründen zumindest bröckeln werden, ist anzunehmen.
All das sind keine guten Aussichten. Den Europäern und den Deutschen ganz besonders sei dringend geraten, sich eine Strategie zu überlegen. Ein Schritt, der mehr als überfällig ist. Der Aufstieg Trumps in den USA ist auch eine Folge des Versagens der Demokraten. Wir sollten diesen Fehler nicht nachahmen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden