Selbst die Revolutionärin Rosa Luxemburg kam zu dem Schluss: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“ Übertragen auf die Konsumwelt heißt das: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersessenden.“ Wenn also anders als Food-Influencer Markus Söder Konsumentinnen und Konsumenten ihr Glück nicht im Verzehr von Bratwürsten und Kebab finden, sondern Veggie-Würste oder Soja-Schnitzel bevorzugen, ist das keiner Rede wert. Es sollte allen also wurscht sein, wer eine aus tierischen oder pflanzlichen Produkten bestehende Currywurst verspeist, schließlich geht es bei dem nebensächlichen Thema nicht um die Wurst.
Besteht wirklich Verwechslungsgefahr?
Wer macht sich schon freiwillig zum Hanswurst, schließlich will uns niemand die Wurst vom Brot nehmen? Das Thema ließe sich mit süddeutscher Wurschtigkeit ignorieren, zumal eine zu tiefe Beschäftigung mit der Sache Dinge aufwühlen kann, die besser unentdeckt bleiben. Schließlich hat der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck einst als Zyniker gespottet: „Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie.“ Doch der konservativen französischen EU-Abgeordneten Céline Imart ist die Wurst nicht wurscht. Sie duldet es nicht, dass auch Schnitzel und Steaks so heißen, obwohl sie aus pflanzlichen Ersatzprodukten fabriziert wurden. Die Verwechslungsgefahr sei zu groß, argumentiert die Politikerin. Dass ihr am Ende das Europa-Parlament mehrheitlich gefolgt ist, wirft die Frage auf, wie die Abgeordneten die Bürgerinnen und Bürger in Europa einschätzen.
Merz irrt: Wurst ist längst vegan
Schließlich sollte es zu einer der leichteren Verbraucher-Übungen gehören, einen Veggie-Burger, eine Tofu-Wurst oder ein veganes Seitan-Schnitzel von den jeweiligen tierischen Pendants zu unterscheiden. Die Menschen in Europa können hier ohne die Hilfe der Politik auskommen. Wie wäre es, wenn die EU-Verantwortlichen sich mit delikateren Fragen, also etwa der Abwehr russischer Drohnen vorrangig beschäftigen? Der deutsche Kanzler Friedrich Merz hat zwar Recht mit seiner fundamentalen Erkenntnis, eine Wurst sei eine Wurst. Doch seine Folgerung, Wurst sei nicht vegan, widerspricht der Lebenswirklichkeit der Kühlregale deutscher Supermärkte. Dort findet sich vegane Wurst, die zum Teil fleischlichen Vorbildern geschmacklich kaum nachsteht. Und manche sollen schon beim Versuch gescheitert sein, einen veganen Burger von einem echten zu unterscheiden.
Hoffentlich stoppen die EU-Länder die Geschmacksverwirrung. In Süddeutschland scheint es ohnehin ratsam zu sein, sich in der Diskussion Zurückhaltung zu verordnen. Am Ende nimmt sich die Französin Imart den Leberkäse vor und beantragt, den Begriff für die Köstlichkeit zu verbieten, weil sie draufgekommen ist, dass kein Käse in der klassischen Version des Grundnahrungsmittels steckt. Charlotte, 7, aus Wuppertal wollte im vergangenen Jahr im Rahmen der Aktion „Frag doch mal die Maus“ wissen, warum Leberkäse so heißt. Die Redaktion des WDR recherchierte und fand heraus, Leberkäse erinnere in der Form an einen Brotlaib und „Kas“ stehe im Bayerischen für eine kompakte, essbare Masse. So müsste es „Laib Kas“ heißen. Daraus sei schließlich in München einst „Läb Käs“ und schließlich Leberkäse geworden. Es gibt noch andere Theorien.
Auf alle Fälle ist Leberkäse Leberkäse. Und Leberkäse ist zwar Leberkäse, aber längst auch vegan, selbst wenn das Merz irritieren mag. So wird online ein Veggie-Leberkäse unter dem Namen „Hupsi“ angeboten. Was Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger wohl dazu sagt?
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