Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Provokation der Grünen Jugend: Wie Jette Nietzard Özdemir in Schwierigkeiten bringt

Eklat bei den Grünen

Wie die Chefin der Grünen Jugend die Wahlchancen von Cem Özdemir verspielt

    • |
    • |
    • |
     Jette Nietzard, Sprecherin der Grünen Jugend, hat pauschal die Polizei verunglimpft und will sich nicht entschuldigen. Den Grünen-Spitzenkandidaten Cem Özdemir bringt sie in die Bredouille.
    Jette Nietzard, Sprecherin der Grünen Jugend, hat pauschal die Polizei verunglimpft und will sich nicht entschuldigen. Den Grünen-Spitzenkandidaten Cem Özdemir bringt sie in die Bredouille. Foto: Friedrich Bungert, dpa

    Cem Özdemir hat ein Problem. Wie so häufig in der Politik kommt es nicht vom politischen Gegner, sondern aus den eigenen Reihen. Verursacht hat es Jette Nietzard, 26 Jahre alt und eine der beiden Vorsitzenden der Grünen Jugend. Sie selbst sieht sich als „Krawallgurke“, der Stern überschrieb jüngst eine Geschichte über die Nachwuchspolitikerin mit dem Titel „Freie Radikale“.

    Vor einigen Tagen stellte sie ein Foto von sich auf die Bilderplattform Instagram. Nietzard trug eine Kappe mit der Aufschrift Eat the rich (Esst die Reichen) und einen Pullover, auf dem vier kleine Buchstaben standen, die einen veritablen Eklat auslösten. ACAB war dort zu lesen. Das Akronym steht für All cops are bastards – alle Polizisten sind Bastarde.

    Spitzenkandidat Cem Özdemir in die Bredouille gebracht

    Wahrscheinlich geriet die Provokation heftiger, als von ihr angenommen. Die Aufwallung ist so wuchtig, dass die Brandung an Özdemir reißt. Der 59-Jährige will der nächste Ministerpräsident seines Heimatlandes Baden-Württemberg werden. Dort regiert Winfried Kretschmann als knorriger, aber gütiger Landesvater. Er ist der einzige Grüne mit CDU im Herzen, wird gern gespottet. Der 77-Jährige wird sich nach der Landtagswahl im März nächsten Jahres in den Ruhestand verabschieden.

    Der Ministerpräsident und sein Nachfolger? Die Grünen haben Cem Özdemir zu ihrem Spitzenkandidaten für die nächste Landtagswahl gekürt. Er soll Winfried Kretschmann nachfolgen.
    Der Ministerpräsident und sein Nachfolger? Die Grünen haben Cem Özdemir zu ihrem Spitzenkandidaten für die nächste Landtagswahl gekürt. Er soll Winfried Kretschmann nachfolgen. Foto: Marijan Murat, dpa

    Özdemir soll als Spitzenkandidat die Macht für die Grünen sichern. Seine Ausgangslage ist schlecht, aber nicht aussichtslos. In den Umfragen liegen die Grünen zehn Zähler hinter der CDU. Doch die selbst ernannte Krawallgurke könnte aus der geplanten Aufholjagd eine mission impossible machen. Özdemir reagierte schnell: „Die Polizei verteidigt in höchstem persönlichen Einsatz jeden Tag die Werte, die uns als Partei ausmachen“, erklärte er. „Wer das nicht kapiert hat, ist bei uns falsch.“ Auch Kretschmann legte Nietzard den Austritt aus der Partei nahe. „Ich verstehe überhaupt nicht, was die bei uns will“, regte er sich auf.

    Für die CDU ist die Affäre ein gefundenes Fressen. Nach anderthalb Jahrzehnten fern der Macht will die Partei kommendes Jahr die Stuttgarter Staatskanzlei zurückerobern. „Jetzt wird sich zeigen, ob Cem Özdemir in der Lage ist zu führen. Er muss dringend dafür sorgen, dass Ausfälle der Grünen Jugend gegen unsere Polizei insbesondere auch in Baden-Württemberg ein Ende haben“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Steffen Bilger, unserer Redaktion. Bilger ist Abgeordneter aus Ludwigsburg ganz in der Nähe von Stuttgart. Er wirft noch eine weitere Frage auf, die sich an die Wähler richtet und auf den Spitzenkandidaten der Grünen zielt. „Wie sollen Cem Özdemir und die Grünen in Fragen der Sicherheitspolitik glaubwürdig agieren, wenn die Parteijugend alle Polizisten unter einen Generalverdacht stellt und beschimpft.“

    Wie staatstragend sie die Grünen?

    Dabei sind es Politiker wie Özdemir, Kretschmann, Parteichefin Franziska Brantner und Robert Habeck, die überhaupt ein Verhältnis zu Polizei und Armee aufgebaut haben. Vor ein paar Jahren machte der frühere Zivi Özdemir ein Praktikum bei der Bundeswehr und trug Uniform. Mitte der 90er Jahre wäre eine Vorsitzende der Grünen Jugend, die die Polizei verunglimpft, erwartbar gewesen. Die Ökopartei kommt aus der Außerparlamentarischen Opposition, der Staat war das Schweinesystem. Parteiidol Joschka Fischer verprügelte in den 70er Jahren mit seiner „Putztruppe“ in Frankfurt am Main Polizisten.

    Von diesem Erbe haben sich die Grünen freigeschwommen, es ist nur noch Teil der Folklore. Baden-Württemberg ist strukturell konservativ geprägt, mit Gegnerschaft zu Polizei und Marktwirtschaft gewinnt im Südwesten niemand eine Wahl.

    Nur in der Grünen Jugend strahlt noch der alte Glutkern, der das System und seine Repräsentanten grundsätzlich infrage stellt. In den Augen eines Teils der Jungen hat die Partei in den Jahren der Ampelkoalition viel zu viele Kompromisse gemacht. Jetzt, in der Opposition, wo Lautstärke zählt, gibt es keine Regierungsdisziplin mehr. Nietzard mag sich nicht entschuldigen, ruderte nur leicht zurück. Sie „glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen“, meinte sie in einem Stern-Podcast. Ihr sei es um strukturelle Probleme bei der Polizei wie Rassismus gegangen.

    Bei den Polizisten, die Mitglied bei den Grünen sind, hat die Pullover-Aktion für Zorn und Enttäuschung gesorgt. Es gibt wütende Mails und den Wunsch nach Austritten. Es ist ein Schlag für das Außenbild der Partei in Baden-Württemberg, die dort so staatstragend herkommt, wie in keinem anderen Bundesland.  

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden