Bundeskanzler Olaf Scholz will im Januar die Vertrauensfrage stellen. Was bedeutet das? Welche Folgen hat die Vertrauensfrage? Und kommt es jetzt zu Neuwahlen? Hier alle Infos.
Was heißt Vertrauensfrage?
Die Vertrauensfrage ist in vielen Demokratien ein Instrument der Regierung, um das Parlament zu disziplinieren. Dabei stellt - in Deutschland - der Kanzler dem Parlament die Vertrauensfrage um festzustellen, ob er oder sie und die Regierung grundsätzlich noch auf einer Linie sind. Falls nicht, könnte die Regierung zurücktreten. Damit käme es zu Neuwahlen.
Im aktuellen Fall hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigt, am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Neuwahlen könnten dann bis spätestens Ende März stattfinden.
Wo ist die Vertrauensfrage in Deutschland geregelt?
Die Möglichkeit der Vertrauensfrage ist in Artikel 68 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland geregelt. festgeschrieben. "Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt", heißt es dort. Im Gegensatz zum Misstrauensvotum findet die Abstimmung über das Vertrauen in die Regierung nicht in geheimer Wahl statt.
Vertrauensfrage stellen: Erst dreimal vorgezogene Neuwahlen in der Bundesrepublik
Erst drei Mal gab es in der Geschichte der Bundesrepublik vorgezogene Neuwahlen: Willy Brandt stellte im September 1972 als erster Bundeskanzler überhaupt die Vertrauensfrage. Im Streit um die Ostpolitik liefen mehrere SPD- und FDP-Abgeordnete seiner Koalition zur Opposition über: Die vorgezogene Wahl zwei Monate später wurde mit 45,8 Prozent zum bislang größten Triumph der Sozialdemokraten.
Die anderen vorgezogenen Neuwahlen 1983 und 2005 besiegelten dagegen das Ende sozialdemokratischer Kanzlerschaften: Helmut Schmidt wurde schon im Herbst 1982 gestürzt, nachdem sein Koalitionspartner FDP zur Union floh. Und Gerhard Schröder verlor gegen Angela Merkels Union.
Die verfassungsrechtlichen Hürden für Neuwahlen sind hoch: Nach den schlechten Erfahrungen der Weimarer Republik hat der Bundestag kein Selbstauflösungsrecht und ein Bundeskanzler kann nur durch ein sogenanntes „konstruktives“ Misstrauensvotum gestürzt werden. Das bedeutet, im Parlament muss es eine Mehrheit für einen sofortigen Amtsnachfolger geben. Erst einmal gelang dies, als CDU-Chef Helmut Kohl mithilfe der FDP den SPD-Kanzler Schmidt stürzte. Auslöser war auch damals ein Wirtschaftspapier des damaligen FDP-Ministers Otto Graf Lambsdorff.
Auch Kohl und Schröder wählten die Vertrauensfrage, um Neuwahlen zu erreichen
Kohl wählte ebenso wie später Schröder den Weg über das Mittel der Vertrauensfrage, um Neuwahlen zu erreichen. Obwohl beide Kanzler eine solide Regierungsmehrheit hatten, ließen ihre Fraktionen die Regierungschefs dennoch durchfallen: Bis heute sind solche „unechten“ Vertrauensfragen umstritten. Im Fall Schröder landete der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Mehrheit der Karlsruher Richter gestand aber dem Bundeskanzler die Macht zu, in politischen Krisensituationen Neuwahlen erzwingen zu dürfen, und stärkte damit das bundesdeutsche System der sogenannten „Kanzlerdemokratie“.
Das bedeutet auch im Fall der Ampel: Auf den Kanzler kommt es an. Jetzt hat SPD-Amtsinhaber Olaf Scholz angekündigt, Mitte Januar die Vertrauensfrage zu stellen. Damit könnte er den Weg zu vorgezogenen Neuwahlen in Deutschland ebnen.