Versklavung, Vergewaltigung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Vor dem Oberlandesgericht (OLG) München hat der Prozess gegen ein irakisches Ehepaar begonnen, das zwei jesidische Mädchen als Sklavinnen gekauft, ausgebeutet und sexuell missbraucht haben soll. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen unter anderem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Noch bevor die Anklage mit den grausamen Vorwürfen verlesen werden konnte, wurde der Prozess aber für eine Dreiviertelstunde unterbrochen. Der angeklagte 43-Jährige gab an, zu krank für die Verhandlung zu sein. Er könne weder aussagen noch zuhören.
Angeklagter erhebt Vorwürfe gegen JVA Gablingen
In seiner Haft in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen, die wegen Misshandlungsvorwürfen gegen Mitarbeiter Schlagzeilen machte, sei er „zusammengeschlagen, unter Drogen gesetzt“ worden und „monatelang“ in einer Zelle im Keller eingesperrt worden - ohne persönliche Dinge und ohne Kontakt zu seinem Anwalt.
Überprüfen ließen sich diese Angaben zunächst nicht. Auch dem Senat waren die Vorwürfe zuvor nicht bekannt, wie Gerichtssprecher Laurent Lafleur mitteilte. Weder der Angeklagte noch seine Verteidiger hätten diese Vorwürfe vorher schon einmal erhoben, der Senat werde dem nun nachgehen. Der Angeklagte wurde von einem Mediziner auf seine Verhandlungsfähigkeit untersucht.
Völkermord, Terror und Versklavung: Prozess gegen IS-Anhänger in München beginnt
Das Ehepaar hatte sich den Erkenntnissen der Ermittler zufolge dem militant-fundamentalistisch ausgerichteten „Islamischen Staat“ angeschlossen, der im Zuge der Bürgerkriege in Syrien und im Irak einen „Gottesstaat“ unter Geltung der Scharia errichten wollte. Dafür setzten die Kämpfer auch auf Sprengstoff- und Selbstmordanschläge sowie öffentlich inszenierte grausame Hinrichtungen.
Nach Darstellung des anklagenden Generalbundesanwalts soll der Mann seiner Frau kurz nach der islamischen Hochzeit auf deren Wunsch zwischen Oktober und Dezember 2015 ein damals fünf Jahre altes jesidisches Mädchen als Brautgabe gekauft haben. Das Kind wurde demnach daraufhin mehr als zwei Jahre lang im Irak und in Syrien von dem Paar gefangen gehalten, wirtschaftlich als Arbeitskraft sowie sexuell ausgebeutet, erniedrigt und gequält.
Gleiches soll einem zweiten jesidischen Mädchen widerfahren sein, das der Anklage zufolge Anfang Oktober 2017 als Zwölfjährige von dem Paar gekauft worden war. Beide Kinder wurden Ende November 2017 an andere IS-Kämpfer weitergereicht. Während das ältere Mädchen wenig später von ihrer Familie freigekauft werden konnte, ist das Schicksal des jüngeren Mädchens ungeklärt.
Prozess in München: Vergewaltigungen als Mittel zur Vernichtung der Jesiden
Im August 2014 führte der IS einen Angriff auf das Siedlungsgebiet der Glaubensgemeinschaft der Jesiden im Umkreis des im Nordwesten des Iraks gelegenen Sindschar-Gebirges durch. Er hatte der Anklage zufolge zum Ziel, die jesidische Religion zu vernichten, indem ihre Angehörigen zwangskonvertiert, religiös umerzogen, verschleppt, versklavt, Frauen und Mädchen vergewaltigt und nicht konvertierungsbereite Männer hingerichtet wurden.
Nach traditionellem Verständnis der jesidischen Religion führt der Geschlechtsverkehr mit einer nicht jesidischen Person unmittelbar zum Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft. Die Vergewaltigungen der jesidischen Frauen und Mädchen bezweckten daher auch den Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft und waren laut Generalbundesanwalt somit Teil der beabsichtigten Vernichtung dieser religiösen Gruppe. (dpa)
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