Das Toreschießen ist jetzt nicht unbedingt Lena Rädlers vordringlichste Aufgabe. Als Rechtsverteidigerin ist sie zunächst einmal dafür verantwortlich, dass defensiv in ihrem Wirkungskreis nichts anbrennt. Das klappt bisher ganz gut. "Von den elf Gegentoren, wie wir bekommen haben, ist nur eines über meine Seite gefallen – gegen Nürnberg", sagt die 17-Jährige. Dennoch räumt sie auf Nachfrage ein, dass sie in dieser Spielzeit schon gerne noch einen Treffer erzielen möchte. So ein Bundesliga-Tor macht sich schließlich ganz gut im sportlichen Lebenslauf. Sechs Spiele hat sie dafür noch Zeit, also insgesamt 480 Minuten. Allerdings sagt sie auch: "Wenn ich kein Tor schieße und wir dafür noch fünfmal zu Null spielen, wäre das auch okay."
Der Bundesligist im 800-Seelen Dorf
Lena Rädler hat sich bei den B-Juniorinnen des SV Alberweiler zu absoluten Stammkraft gemausert. In elf von zwölf Saisonspielen stand die Scheideggerin von der ersten bis zur letzten Minute auf dem Platz. Einmal war sie krank. "Jetzt bin ich richtig dabei", sagt die Gymnasiastin. Im Sommer 2016 ist sie von ihrem Heimatverein FC Scheidegg zum SV Alberweiler gewechselt, um in der Bundesliga Süd zu spielen. Wegen eines Schlüsselbeinbruchs kam sie in ihrer Premierensaison nur auf acht Einsätze. Heuer ist sie verletzungsfrei.
"Wir haben so viele Punkte wie noch nie" Lena Rädler
Die sprint- und konditionsstarke Nummer 3 spielt Rechtsverteidigerin in einer Dreierkette. Diese Position ist taktisch durchaus anspruchsvoll, denn bei eigenem Ballbesitz soll sie das Spiel nach vorne über außen ankurbeln (eine Torvorlage steht auf der Habenseite), bei gegnerischen Angriffen wird aus der Dreier- eine Fünferkette, sodass sie etwas weiter in die Zentrale rückt und von der Flügelspielerin zur Innenverteidigerin wird.
Die gegnerischen Mannschaften heißen unter anderem SC Freiburg, 1. FFC Frankfurt, TSG Hoffenheim oder Bayern München. Dennoch mischt der SV Alberweiler, ein Verein aus einem 810-Einwohner-Ort im Landkreis Biberach, in der Tabelle vorne mit. Mit 23 Zählern aus zwölf Spielen ist er Vierter. "Wir haben so viele Punkte wie noch nie", sagt Lena Rädler. Das Ziel für die restlichen Spiele ist es, diesen Platz zu verteidigen – und damit eines der "Schwergewichte" aus Hoffenheim (3.) und München (5.) hinter sich zu lassen. Es wäre zugleich die beste Platzierung in der Vereinsgeschichte. Das Osterwochenende wird wohl entscheidend sein: am Samstag geht es nach Hoffenheim und am Montag zu den Bayern.
"Bundesliga zu spielen ist schon noch aufregend, aber nicht mehr so wie am Anfang. Wir sind mit den anderen auf Augenhöhe. Die haben vielleicht einige richtig gute Einzelspielerinnen und Nationalspielerinnen, aber wir lösen es als Team", sagt Lena Rädler. Sie räumt aber ein, dass sie immer noch "ein bisschen nervös" sei vor den Spielen. Aber das gehöre schließlich dazu.
Der große Traum: die Nationalmannschaft
Die gut 100 Kilometer lange Anfahrt nimmt die 17-Jährige für diese Erlebnisse gerne in Kauf, zumal sie mit Solveig Schlitter (15) und Vera Ellgass (15) zwei Teamkolleginnen aus Argenbühl hat, mit denen sie gemeinsam im Zug unterwegs ist.
Dennoch stellt sich die Frage, wie es nach der Saison weitergeht. Es ist ihr letztes Jahr bei den B-Juniorinnen – danach steht der Wechsel zu den Erwachsenen an. Wenn sie den zeitlichen Aufwand mit dem im Sommer 2019 anstehenden Abitur vereinbaren kann, wird sie vermutlich beim SV Alberweiler bleiben. Deren Damen spielen zwar nicht in der Bundesliga, aber mischen den Regionalliga vorne mit, der dritthöchsten deutschen Spielklasse. In der näheren Umgebung gibt es keine Mannschaft, die so hoch spielt. Das nächste wäre der TSV Tettnang als Oberligist (vierte Liga). Im Westallgäu ist es der SV Eglofs in der Landesliga (sechste Liga).
Einen ganz anderen Traum hat sie auch noch nicht abgeschrieben: die Nationalmannschaft. Der württembergische Landestrainer hat ihr in Aussicht gestellt, dass sie im Herbst mit der WFV-Auswahl am deutschen Länderpokal teilnehmen darf. Das ist traditionell der Termin, bei dem der DFB seine Junioren-Nationalspielerinnen castet. An einem guten Tag ist dort viel möglich. Vielleicht gelingt ihr dann ja sogar ein Tor. Auch wenn das nicht zu ihrer vordringlichsten Aufgabe gehört.