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Afrikanisches Sprint-Ass sucht Schutz im Ostallgäu

Endlich in Sicherheit!

Afrikanisches Sprint-Ass sucht Schutz im Ostallgäu

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    Täglich trainiert Raman Abdul Tarawally an seiner Schnelligkeit. Dafür nutzt er die Anhöhen rund um das Asylbewerberheim in Rieden am Forggensee. Die 100 Meter lief er in 10,4-Sekunden Bestzeit und wurde mehrmals Meister seines Heimatlandes Sierra Leone.
    Täglich trainiert Raman Abdul Tarawally an seiner Schnelligkeit. Dafür nutzt er die Anhöhen rund um das Asylbewerberheim in Rieden am Forggensee. Die 100 Meter lief er in 10,4-Sekunden Bestzeit und wurde mehrmals Meister seines Heimatlandes Sierra Leone. Foto: Benedikt Siegert

    Es war der 5. Juni des vergangenen Jahres, der das Leben vom Raman Abdul Tarawally auf den Kopf stellen sollte. Ein warmer Tag mit hoher Luftfeuchtigkeit, so wie er typisch ist für Sierra Leone, das Land im Westen Afrikas. Der 23-Jährige nahm am Training seines Leichtathletik-Vereins Camp Canada Athletics Club in der Hauptstadt Freetown teil. Tarawally ist Sprinter. Ein sehr guter sogar. Fünf Mal in Folge gewann er die Meisterschaft über die 100-Meter-Distanz. „Mein Bestwert liegt aktuell bei 10,4 Sekunden“, erzählt er, während er in der Asylbewerberunterkunft in Rieden am Forggensee sitzt.

    An jenem Tag ging es für ihn um die Qualifikation für die Landesmeisterschaften – 200 Meter Sprint. Auf der Geraden läuft alles nach Plan – Er liegt in der Mitte des Feldes. Als es jedoch in die Kurve geht, kommt Tarawally ins Straucheln. Er kollidiert mit seinem Kontrahenten, der schwer stürzt. „Das war ein unglücklicher Unfall, wie er eben in so einem Wettkampf passieren kann – völlig unabsichtlich“, erzählt Tarawally. Während der studierte Soziologe und Historiker das Rennen noch beenden kann, muss der Verletzte ins Krankenhaus. „Ich habe ihn gemeinsam mit Teamkollegen dorthin begleitet – das war für mich selbstverständlich“, sagt er.

    Strauchler mit schwerwiegenden Folgen

    Die Diagnose für seinen Kollegen ist indes verheerend: Beinbruch. Karriereende. Sportinvalide. Und in einem bettelarmen Land wie Sierra Leone (die Lebenserwartung für Männer liegt nur bei gut 40 Jahren) noch gravierender: Das Unfallopfer kann durch seine schwere Verletzung nicht mehr für den Lebensunterhalt seiner Familie sorgen. Und dafür machten die Angehörigen seines Team-Kollegen ihn, Tarawally, verantwortlich: Und nicht nur das. Sie sinnen auf Rache. „Die wollten, dass mir das Gleiche widerfährt wie ihrem Sohn – ich sollte auch keinen Sport mehr betreiben können“, erzählt der 23-Jährige mit einem Funkeln in seinen Augen.

    Der Familien-Clan engagiert sogenannte Click-Boys, meist drogenabhängige junge Männer, die um ihre Sucht zu befriedigen, gegen Geld Straftaten begehen. Nur einen Tag nach dem Unfall suchen diese Männer Tarawally auf. Doch ihm gelingt die Flucht. In der Nähe eines Flughafens findet er Unterschlupf. Zwei Tage später bricht er von dort schon zu einem schon länger geplanten Wettkampf nach Badia in Italien auf.

    In Bologna gelandet, erreicht ihn der Anruf seines Bruders: „Er hat mir geraten, mich bei dem Berg-Rennen abzusetzen, weil die Click-Boys inzwischen auch meine Familie bedrohten.“

    Tarawally hadert mit sich, doch am Ende entschließt er sich zur Flucht. „Ich hatte keine Wahl, in Sierra Leone wäre mir etwas zugestoßen“, erzählt er im Unterrichtsraum der Riedener Asylbewerberunterkunft. Seit Kurzem ist er dort.

    Endlich in Sicherheit

    Hubert Endhardt, Kreisrat und maßgebliches Mitglied im dortigen Helferkreis, unterstützt ihn – bei Alltagsangelegenheiten wie Behördengängen oder Sprachunterricht, aber auch beim Sport. So hat er sich kürzlich über Facebook dafür eingesetzt, dass der 23-jährige Sportler neue Laufschuhe bekommt. Denn der Afrikaner hatte nur ein Paar bei sich, als er ankam. „Am Mittwoch habe ich nun gemeinsam mit Abdul welche gekauft“, sagt Endhardt. Er war es auch, der den Kontakt zur TSG Füssen herstellte, bei der der 23-Jährige seither im Fünfkampf-Team mittrainiert. Jeden Dienstag- und Donnerstag. Denn Tarawally will auch in Deutschland weiter Sport treiben. „Ich achte sehr auf meinen Körper, rauche nicht und trinke keinen Alkohol, schließlich will ich so schnell bleiben wie ich bin“, sagt er und lacht.

    Ob er bald schon bei Sprint-Wettkämpfen teilnehmen darf, ist noch nicht sicher. Mit seiner Zeit von 10,4 Sekunden läge er nur vier Hundertstel hinter dem aktuellen deutschen Rekord. „Viel wichtiger ist mir aber, dass ich in Sicherheit leben kann“, sagt der Sprinter.

    Mitfahrgelegenheit:

    Für sein Training jeweils am Dienstag und Donnerstag von 17.45 bis 19.45 Uhr sucht Tarawally einen Fahrer, der ihn von Rieden nach Füssen und/oder zurück mitnimmt. Interessierte können sich bei Hubert Endhardt melden unter der E-Mail-Adresse: h.endhardt@t-online.de

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